0144 - Nacht über Manhattan
haben«, sagte er heiser. »Das war ohnehin so ein komischer Onkel.«
»Wieso komisch?« fragte ich.
»Na, er ließ sich zum Times Square fahren und verlangte, daß ich an der Ecke halten sollte. Das ist ja eigentlich verboten, aber er hatte mir fünf Dollar Trinkgeld gegeben, und für fünf Dollar riskiert man schon mal was.«
»Und was geschah, als du an der Ecke hieltest?« erkundigte ich mich gespannt.
Bill zuckte die Achseln.
»Nicht viel. Auf einmal schoß von hinten ein anderer Wagen heran und hielt direkt neben uns. Ich sah noch, wie der Kerl aus meinem Schlitten ein Päckchen durchs geöffnete Fenster zum anderen Wagen hinübergab, dann brauste der andere ab. Das wiederholte sich noch zweimal. Ich mußte noch an anderen Ecke halten, und jedesmal kam von hinten ein Wagen, hielt kurz neben uns und brauste weiter, sobald er ein Päckchen bekommen hatte.«
»So, so«, murmelte ich.
Und dabei betrachtete ich interessiert die Zehn-Pfund-Noten der Bank von England, die Bill in der Hand hielt. Es war ein hübsches Paket. Ich löste ihm einen der Scheine aus den Fingern und hielt ihn gegen das Licht.
Der Metallstreifen, der in allen englischen Banknoten der Pfundwerte eingearbeitet ist, fehlte. Er war einfach nicht vorhanden.
»Was — was meinst du wohl, was die Scheinchen in Dollar wert sind?« wollte Bill Chester von mir wissen.
Seine Stimme klang noch immer heiser vor Aufregung.
Ich zuckte die Schultern, nahm das ganze Päckchen in die Hand und wog es ab.
»Vielleicht zwei oder drei Cent beim Altwarenhändler«, sagte ich. »Das ist nämlich Falschgeld.«
***
Phil sah die weit aufgerissenen Augen des jungen Mannes im Rückspiegel. Und er hörte gleichzeitig die gellende Polizeisirene.
Einen Augenblick überlegte er, ob er eine Chance hätte, die Waffe in seinem Genick beiseite zu schlagen, aber er gab diesen Plan sofort wieder auf. Die Chancen standen eins zu hundert.
Da war auch schon der Polizeiwagen heran. Mit kreischenden Bremsen stoppte er direkt neben dem Taxi.
Erleichtert fühlte Phil, wie der Druck der Mündung in seinem Genick verschwand. Er atmete auf.
»Was ist denn mit Ihnen los?« fragte eine bärbeißige Stimme neben seinem Taxi, und ein Polizist der Stadtpolizei beugte sich zu Phils halb offenem Seitenfenster herunter. »Haben Sie einen Sonnenstich? Wie können Sie mitten in der Fünften Avenue stehenbleiben, Mann?«
Phil grinste freundlich. Aui die Skala an seinem Armaturenbrett zeigend, sagte er:
»Haben Sie schon mal gesehen, daß ein Auto ohne Benzin fährt?«
Der Cop lief rot an.
»Zum Teufel, warum tanken Sie denn nicht rechtzeitig?«
Phil zuckte die Schultern.
»Ich habe den Wagen vor zwei Stunden mit über siebzig Liter übernommen.«
»Vor zwei Stunden? Mann, sind Sie noch normal? Wie wollen Sie denn in zwei Stunden siebzig Liter Sprit verbrauchen?«
»Das fragte ich mich ja auch«, erklärte Phil ernst.
Der Cop begriff endlich.
»Ach«, sagte er betroffen, »Sie meinen, daß man Ihren Tank angezapft hat?«
»Anders ist es wohl nicht möglich, daß ich jetzt schon auf dem Trockenen sitze. Ich habe nicht im Traum daran gedacht, daß ich nach zwei Stunden schon wieder Benzin brauchen würde, und ich habe deshalb natürlich auch nicht aufgepaßt, sonst hätte ich‘s ja am Treibstoff-Anzeiger gesehen.«
Der Cop drehte sich auf dem Absatz um und öffnete den Kofferraum des Streifenwagens. Er brachte einen Benzinkanister zum Vorschein.
Phil stieg aus. Zusammen füllten sie etwa zehn Liter um, dann bedankte sich Phil und sagte, daß man die Rechnung oder das Strafmandat an die Gesellschaft schicken sollte.
Er stieg wieder ein, als sich der Streifenwagen schon mit erneut heulender Sirene seinen Weg bahnte.
Lngsam fuhr Phil an.
Plötzlich sagte ein leise Stimme hinter ihm:
»Warum haben Sie der Polizei nichts von mir gesagt?«
Phil zuckte die Schultern und brummte:
»Ich weiß nicht, warum Sie mit einer Kanone herumrennen, junger Mann, aber ich weiß, daß Sie nicht der Typ sind, aus dem Gangster gemacht werden. Ich habe der Stadtpolizei absichtlich nichts gesagt, weil ich mich mit Ihnen ein paar Minuten unterhalten möchte.«
Ohne eine Antwort abzuwarten, bog Phil in die nächste Seitenstraße ein, fuhr sie ein Stück entlang und hielt an einer Stelle an, die als Parkplatz gekennzeichnet war.
Er drehte sich um und hielt dem jungen Mann seine Zigarettenpackung hin. Dann knipste er die Innenbeleuchtung an und sagte:
»Was macht Ihr Hals? Sollen wir ihn
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