015 - Der Moloch
weil sich an Bord ein Moloch befand?«
»Ohne auf Jeff Parkers materialistische Einstellung Rücksicht nehmen zu wollen, bin ich auch der Meinung, daß wir einen anderen Weg wählen müssen«, sagte Dorian. »Einer von uns muß aufs Mannschaftsdeck hinuntersteigen. Nur so können wir den Moloch restlos austilgen.«
»Das übernehme ich!« bot sich Geronimo spontan an.
»Nein, ich werde es tun«, sagte Dorian. »Ich habe mehr Erfahrung im Kampf mit den Dämonen.«
Dorian nahm Adrian West beiseite und fragte ihn: »Haben Sie jeden fotografiert?«
West nickte und fügte mit schwachem Grinsen hinzu: »Außer uns beiden.«
»Dann entwickeln Sie den Film! Wenn ich zurückkomme, möchte ich die Fotos sehen.«
West ergriff ihn am Arm. »Glauben Sie denn immer noch, einer von uns könnte …«
»Ich möchte mir auf jeden Fall Gewißheit verschaffen.«
West zog sich in seine Kabine zurück und versperrte die Tür von innen. Er betrat sein als Dunkelkammer eingerichtetes Badezimmer und verschloß auch diese Tür von innen. Er wollte nicht gestört werden und vor Überraschungen sicher sein. Er nahm den Film aus der Kamera. Seine Hände zitterten leicht, während er den Film in den Entwickler einlegte und dann die Signaluhr einstellte.
Die Zeit schlich endlos langsam dahin, und als die Signaluhr endlich abgelaufen war und er die Zwischenwässerung, Fixierung und Wässerung vornehmen und schließlich den Film in den Trockenschrank legen konnte, hatte er drei Zigaretten geraucht. Er war alles andere als ein Kettenraucher, aber die Spannung zehrte so sehr an seinen Nerven, daß er sich künstlich beruhigen mußte. Hoffentlich war der Film etwas geworden. Er hatte noch nicht einmal einen Blick darauf geworfen. Aber es war unsinnig, zu befürchten, daß er ausgerechnet bei diesen Aufnahmen Mist gebaut haben sollte. Das war ihm in seiner langjährigen Praxis noch nie passiert. Er war schließlich kein Sonntagsknipser, sondern Profi.
Er hing den Film mit einer Klammer an die Wäscheleine und befestigte am unteren Ende das Gewicht, damit sich der Film nicht einrollen konnte.
Danach ertappte er sich schon wieder beim Rauchen. Dennoch hielt er sich so im Zaum, daß er das Negativ nicht im Licht der Dunkelkammerlampe betrachtete. Zweifellos hätte er auch schon aus dem Negativ erfahren, was er wissen wollte, aber er wollte das Ergebnis schwarz auf weiß und in Großformat vor sich sehen; er wollte die Wahrheit erst durch die Vergrößerung enthüllt bekommen. Das heißt, wünschte er sich tatsächlich eine Enthüllung? Nein, zumindest nicht im negativen Sinne. Er fragte sich erneut, wer von den anderen Passagieren das Ungeheuer sein konnte. Er selbst und Dorian Hunter kamen nicht in Frage. Ebensowenig Cliff, der von dem Moloch beinahe aufgefressen worden wäre. Armer Cliff! Und die anderen? Parker, Clerici, Geronimo und auch die Mädchen hatten sich gleich viel oder wenig verdächtig gemacht, einschließlich Valiora, Hunters Begleiterin.
West legte das Negativ in den Vergrößerungsapparat ein, klemmte das Fotopapier unter den Abdeckrahmen und nahm die Scharfeinstellung vor. Jeder Handgriff war ihm in Fleisch und Blut übergegangen, war reine Routine, dennoch zitterten seine Hände. Er schaltete die Lampe des Vergrößerungsapparates ein, ohne auf das Fotopapier zu blicken.
Als die Belichtungsuhr ablief, holte er das Fotopapier aus der Halterung und legte es ins Säurebad. Er starrte wie gebannt auf das Papier, auf dem sich langsam Konturen abzuzeichnen begannen.
Das erste Foto hatte er von Valiora gemacht. Die Konturen eines Gesichtes wurden sichtbar. Er ließ einen Seufzer der Erleichterung hören. Valiora war außer Verdacht. Das freute ihn für Hunter.
Als nächsten hatte Adrian Domenico fotografiert. Was für ein Waschlappen! Aber seine Angst konnte genauso gut auch gespielt gewesen sein. Adrian konnte es kaum erwarten.
Er legte das Fotopapier ins Säurebad und beobachtete das Werden des Bildes.
Wieder konnte er aufatmen. Das Foto zeigte Domenicos von Angst gezeichnetes Gesicht.
Wer war der nächste? Lisbeth. Sie war eines der fotogensten Mädchen, das Adrian kannte. Aber dieses Bild, das sich vor seinen Augen im Säurebad herauskristallisierte, zeigte sie nicht von ihrer besten Seite. Doch egal, auch Lisbeth war in Ordnung.
Rosi, Gloria … Adrian fiel ein Stein vom Herzen.
Als nächstes kam Parker an die Reihe. Er war makellos auf den Film gebannt, genau wie die anderen. Adrian fand sogar, daß es die besten
Weitere Kostenlose Bücher