015 - Der Moloch
Fotos waren, die er je gemacht hatte. Wenn das alles vorüber war, würde er sie mit einem Bericht an seine Agentur schicken und viel Geld scheffeln.
Das nächste Foto hatte Adrian von Geronimo gemacht. Nicht minder gebannt als bei den vorangegangenen Malen starrte er in die Entwicklungsschale, wo sich auf einem harmlos auszusehenden Stück Papier ein schreckliches Geheimnis zu enthüllen begann. Er hatte sofort geahnt, daß mit Geronimos Bild etwas nicht stimmte, doch er wollte es bis zuletzt nicht wahrhaben – bis sich auf dem Bild statt des Halbindianers ein schleimiges, gallertartiges Ungeheuer zeigte.
Er starrte ungläubig darauf. Das verstand er nicht. Bisher war es nicht möglich gewesen, eines dieser Ungeheuer auf den Film zu bannen. Wieso gerade diesmal? Diese Frage war aber unwichtig, angesichts der Erkenntnis, daß Geronimo das Ungeheuer war – der stille, stets zurückhaltende Geronimo.
Während Adrian noch in das Säurebad starrte, bewegte sich das Ungeheuer auf dem Bild plötzlich. Ein Tentakel zuckte daraus hervor, traf Adrians Gesicht und hüllte es rasend schnell ein. Sein Entsetzensschrei wurde bald darauf von der gallertartigen Masse erstickt, die ihm in den offenen Mund quoll.
Als die anderen, durch den Schrei alarmiert, zu Adrian Wests Kabine kamen, mußte Parker sie erst mit einem Nachschlüssel öffnen. Die Badezimmertür ließ sich nicht aufmachen, da der Schlüssel von innen steckte. Sie brachen die Tür mit einem Brecheisen auf.
Ihnen bot sich ein grauenhafter Anblick. Vor dem Tisch mit dem Vergrößerungsapparat türmte sich ein mannsgroßes, gallertartiges Gebilde, das konvulsivisch und wie in Ekstase zuckte, und in dem es wie in einem verdauenden Magen rumorte. Als sich das Monstrum den Eindringlingen zuwandte, ließ es säuberlich abgenagte Knochen auf den Boden fallen; mehr hatte es von Adrian West nicht übriggelassen.
Während die anderen flüchteten, stellte sich Dorian dem Ungeheuer entgegen. Er hatte eine 25-Liter-Propangasflasche auf den Rücken geschnallt, die mit einem Leitungsschlauch verbunden war.
Dorian entzündete das dem Endstück entströmende Gas und vernichtete das Ungeheuer in der fauchenden Lohe, bevor es sich in die Kabine flüchten konnte. Bedauerlicherweise wurde durch die Flammen auch die Laboreinrichtung zerstört, und die von West entwickelten Beweisfotos verbrannten. Dorian hatte die Gaszufuhr so weit gedrosselt, daß aus der Schlauchmündung nur eine wenige Zentimeter lange Flamme züngelte. So stieg er zum Mannschaftsraum hinunter. Bevor er unter Deck verschwand, blickte er noch einmal zu den anderen zurück.
Parkers Gesicht war hinter der Heckscheibe des Kommandostandes zu sehen. Er hatte wieder das Ruder übernommen, wenngleich er wissen mußte, daß seine Bemühungen vergeblich sein würden. Vali winkte schwach. Ihr Gesicht war eine ausdruckslose Maske. Geronimo stand neben ihr und hatte ihr die Hand kameradschaftlich auf die Schulter gelegt. Dahinter drängten sich die Mädchen, der in wenigen Stunden um Jahrzehnte gealterte Domenico Clerici mitten unter ihnen. Nur Fabienne Mercier und Doris Reiter fehlten; sie hielten auf der Plicht bei dem bewußtlosen Clifford Montgomery Wache.
Dorian hielt die Gasflamme vor sich, während er unter Deck kletterte. In dem leicht flackernden Licht sah er den leeren Vorraum, in dem es vier Türen gab. Außer dem leisen Fauchen des entströmenden Gases war kein Geräusch zu hören. Der Dämonenkiller öffnete die erste Tür. Dahinter lag die Duschkabine mit dem WC. Der Raum war leer. Hinter der zweiten Tür lag die Kapitänskajüte. Auch sie war leer, das konnte Dorian mit einem einzigen Blick feststellen. Er öffnete sogar den Kleiderschrank und war darauf gefaßt, daß sich der Moloch auf ihn stürzen würde, doch geschah nichts dergleichen.
Auch die Kabine des ersten Offiziers war verlassen. Blieb nur noch der Mannschaftsraum. Er trat die Tür auf und ließ eine meterlange Stichflamme in den dahinterliegenden Raum schießen, um sich gegen Überraschungen abzusichern. Aber der Moloch unternahm keinen Angriff.
Dorian wagte sich in die Mannschaftsunterkunft. Er richtete die Gasflamme gegen jede Koje, doch in ihrem Schein konnte er außer den zerwühlten Decken nichts entdecken; nicht einmal ein faustgroßes Stück der Körpermasse des Molochs zeigte sich. Die beiden Fragmente des Monstrums schienen wie vom Erdboden verschwunden. Dorian überlegte, wo sie sich versteckt halten konnten, kam aber zu keinem
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