015 - Die Augen des Dr. Schock
sich auf das Bett fallen.
Sally hoffte, ihm das noch ausreden zu können. Lord Snyder war beinahe zuviel für sie. Er lebte allein auf einem riesigen Landsitz. Ein gutaussehender, wohlhabender Mann.
Eigentlich eine gute Partie für jedes Mädchen. So schien es jedenfalls auf den ersten Blick. Aber bei näherem Hinsehen erfuhr man den Grund für Lord Snyders Alleinsein.
Keine normal veranlagte Frau war bereit, ihm zu geben, was er verlangte. Schaudernd dachte Sally heute noch an die Schmerzen, die ihr dieser Teufel zugefügt hatte.
Nein, nicht wieder zu Snyder.
Lieber nie wieder aufs Land, denn das war keine Erholung für sie, sondern ein Martyrium. Erholen konnte sich dabei nur Sig, dem der Lord auf seinem Gut uneingeschränkte Freiheiten einräumte.
»Bist du einverstanden mit Snyder?« fragte Sig Dobie.
»Ja«, log Sally, und sie hoffte, in den nächsten Tagen so viel Geld zu verdienen, daß Sig die Idee mit dem Lord wieder fallenließ.
Sie begab sich ins Bad.
»Snyder ist niemals kleinlich!« rief der Zuhälter.
»Zugegeben, er hat ausgefallene Wünsche, aber einem Mädchen wie dir fällt es nicht schwer, ihm diese zu erfüllen.«
Sally seufzte. Du hast leicht reden, dachte sie. Man sollte diesen Lord einsperren, sonst passiert noch mal ein Unglück. Irgendwann einmal geht Snyder in seinem Sinnesrausch zu weit. Dann bringt er das Mädchen, mit dem er zusammen ist, um. Das möchte nicht ausgerechnet ich sein…
Sie entkleidete sich vollständig und drehte das Wasser auf. Nadeldünne Strahlen trafen sie. Sie drückte ein stark nach Flieder duftendes Shampoo aus der Tube und hatte den Eindruck, sie müsse sich die Berührung des Unheimlichen aus den Poren waschen. Sie glaubte, etwas von ihm wäre an ihr haftengeblieben. Ob sie das je wieder loswerden konnte?
Sig Dobie sagte etwas, das sie nicht verstand. Seine Worte gingen im Rauschen der Dusche unter. Heller Schaum kroch träge über Sallys pfirsichweiche Haut. Das warme Wasser war angenehm. Sie schloß die Augen und versuchte total abzuschalten. Oh, wie schön wäre es gewesen, an nichts zu denken, alles zu vergessen: Den Mann im Totenhemd, Lord Snyder, Sig Dobie…
Plötzlich bekam sie die Gänsehaut, konnte sich jedoch nicht erklären, wodurch sie hervorgerufen wurde.
Eine seltsame Kälte kroch ihr ins Knochenmark und erschreckte sie.
Du bist nicht mehr allein! schoß es ihr durch den Kopf. Er ist gekommen! Er ist da! Er befindet sich hinter dir!
Er – damit meinte sie den lebenden Leichnam. Von ihm mußte die Kälte ausgehen, die so unangenehm in ihren Körper drang.
Er befindet sich hinter dir! dachte sie wieder und kreiselte herum. Im selben Moment schnürte die Todesangst ihre Kehle zu, denn sie sah die Augen des Dr. Schock!
***
Wumm! Die Tür knallte hinter uns zu, und Martin Brock stieß ein gemeines Lachen aus. Da sah ich klar. Dieser verdammte Esram Bannon hatte Brock auf seine Seite geholt, ohne daß es uns aufgefallen war, und er hatte uns mit Brocks Hilfe spielend ausgetrickst.
Ehe wir es verhindern konnten, drehte Brock den Schlüssel im Schloß herum. Außerdem schob er einen eisernen Riegel vor. Wir hörten ihn klirrend in die Verankerung rutschen.
Mr. Silver wandte sich um, eilte an mir vorbei und hämmerte die Faust gegen die Tür. »Brock! He, Brock! Verdammt noch mal, was soll das?«
Martin Brock lachte höhnisch. »Jetzt guckt ihr dämlich aus der Wäsche, was?«
»Machen Sie auf, Brock!« verlangte der Ex-Dämon scharf.
»Den Teufel werde ich tun!« schrie der Besitzer des Wachsfigurenkabinetts.
»Haben Sie den Verstand verloren? Warum schließen Sie uns ein?«
»Bereitet euch aufs Sterben vor!« gab Brock zurück.
»Eure Uhr läuft heute nacht noch ab.«
Mr. Silver warf sich mit großer Wucht gegen die Tür, doch das massive Holz hielt seinem Ansturm mühelos stand.
»Mist!« schimpfte der Hüne zornig.
»Diesmal habt ihr ausgespielt!« verriet uns Martin Brock.
»War ja schon lange Zeit, daß sich jemand findet, der euch fertigmacht.«
»Öffnen Sie auf der Stelle die Tür, Brock!«
Darüber amüsierte sich der Mann köstlich. Er lachte aus vollem Halse, und wir hörten, wie sich das Gelächter entfernte.
»Er steht unter Esram Bannons Einfluß«, sagte ich.
»Verdammt, Bannon hat ihn zu seinem Werkzeug gemacht, und uns ist es nicht aufgefallen, Tony. Solche Fehler dürfen wir uns nicht oft erlauben, sonst kriegt uns bald die Hölle.«
»Wie es im Moment aussieht, hat sie uns schon«, gab ich grimmig
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