Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
015 - Die Heiler

015 - Die Heiler

Titel: 015 - Die Heiler
Autoren: Claudia Kern
Vom Netzwerk:
Selbst er als Meedecin konnte sich das nicht herausnehmen.
    »Meedecin«, wisperte eine leise Stimme neben ihm.
    Shrewjinn drehte den Kopf und sah direkt in das vor Anstrengung gerötete Gesicht eines Assistjes. Anscheinend bemühte sich der Junge schon länger um seine Aufmerksamkeit.
    »Tu muss me uf e Shuultr klopen, wen tu wa wieist«, sagte Shrewjinn gutmütig. Der Junge nickte und holte tief Luft. »Meedecin!«, schrie er dann flüsternd in Shrewjinns Ohr. »E Dottres waten uf Euj zuu Operazjon.«
    »Guut. Bdankt.«
    Shrewjinn tastete nach dem Skalpell in seiner Tasche, als er den Raum verließ und über die lange Metalltreppe in die nächste Kugel stieg. Sein Daumen strich über die Klinge, ohne auch nur eine kleine Verletzung davonzutragen. Das Skalpell war stumpf, beinahe schon unbrauchbar. Um feinere Schnitte auszuüben oder in Körperregionen zu arbeiten, wo kein Druck auf das Gewebe ausgeübt werden durfte, war es nicht mehr zu verwenden.
    Evrek hatte das Problem schon vor vielen Jahren erkannt und mit normalen Klingen experimentiert. Die Operazjon endete in einer Katastrophe. Zum Glück war er klug genug gewesen, das Experiment an einem der ihren durchzuführen, so dass der Ruf der Heiler im Dorf nicht gelitten hatte.
    Shrewjinn wünschte, sie wären selbst in der Lage, Skalpells herzustellen. Aber das waren sie nicht, also musste er eine andere Lösung für das Problem finden.
    Er stieß die Tür zum Operzjonsaal auf. »Guut Morje, Dottres«, sprach er die Begrüßungsformel zu den wartenden Männern.
    Sie verneigten sich vor ihm.
    »Guut Morje, Meedecin«, antworteten sie gleichzeitig.
    Zwei Assistjes traten vor und begannen das Ritual. Nacheinander banden sie Shrewjinn und den Dottres Stoffbinden um den Kopf und beträufelten sie mit dem Heiligen Alhol. Dann umwickelten sie die Finger der Männer mit weiteren Stoffen, die ebenfalls beträufelt wurden. Sie verneigten sich vor ihnen und verließen den Raum.
    Shrewjinn und die Dottres nahmen ihre Skalpelle aus den Taschen und tauchten sie tief in den Heiligen Alhol.
    »Möche Pofder Valveks met uus sien«, beteten sie gemeinsam.
    Erst dann drehten sie sich zu dem langen Holztisch um, auf dem der betäubte Patjen lag. Die Assistjes, die Patjenen stets am Lift in Empfang nahmen, hatten ihn bereits ausgezogen.
    Shrewjinn musste nicht fragen, welche Krankheit der Mann hatte. Die Beinverletzung war für alle offensichtlich.
    »Femur fraktione multiple«, sagte der Meedecin.
    Die Dottres nickten. »Amputatio?«, fragte einer von ihnen. »Jo«, stimmte Shrewjinn zu, nachdem er sich mit einem Blick davon überzeugt hatte, dass noch genügend Meedika im Regal standen. Der Meedecin wusste nicht, wozu sie dienten, aber das Heilige Buch schrieb ihren Einsatz bei vielen Krankheiten und bei allen Operazjons vor. Es war seine wichtigste Aufgabe, stets die wichtigsten Meedika aus der Virrun-Kugel bereitzustellen. Auch dabei half ihm seine Lesekunst, denn es wäre ihm schwer gefallen, sich nur zu merken, wo die richtigen standen, so wie es seine Vorgänger getan hatten. Er verließ sich lieber auf die Aufschrift der Behälter.
    Shrewjinn steckte das Skalpell weg, das er bei dieser Operazjon nicht brauchen würde, und griff nach der Säge. Seine Arbeit begann.
    ***
    Manche Ideen werden aus Verzweiflung geboren, und dazu gehörte auch jene, auf die Matthew Drax gerade gekommen war.
    Er hatte seine dritte Runde um die Stützpfeiler des Atomiums beendet, ohne einen nennenswerten Fortschritt zu erzielen. Die bis auf den Boden reichenden Verstrebungen waren so dicht mit rostigem Stacheldraht umwickelt, dass man das darunter verborgene Material nicht mehr erkennen konnte.
    Selbst wenn Matt das Werkzeug besessen hätte, um den Draht zu durchtrennen, hätte er etliche Stunden, wenn nicht sogar Tage dazu gebraucht. Seinen ursprünglichen Plan, über eine der Verstrebungen bis zur untersten Kugel zu klettern, konnte er somit abschreiben.
    Wenn es einmal Eingänge zum Atomium in diesen Stützpfeilern gegeben hatte, so waren sie nicht zu sehen. Möglicherweise hatte man sie vor langer Zeit zubetoniert.
    Fenster gab es zwar, aber die befanden sich nur an den Kugeln selbst und waren vermutlich von innen verbarrikadiert.
    Matt fragte sich unwillkürlich, was sich rund um diesen Ort abgespielt hatte. Etwas musste die Bewohner dazu gezwungen haben, sich so vollständig abzukapseln, dass einzig ein Korblift den Kontakt mit der Außenwelt ermöglichte.
    Vielleicht waren sie aber auch nur
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher