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015 - Die Heiler

015 - Die Heiler

Titel: 015 - Die Heiler
Autoren: Claudia Kern
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sehen, dass sie Matt kein Wort glaubten. Selbst Tschak, der anfangs noch konzentriert gelauscht hatte, spielte jetzt abwesend mit einem kleinen Hund.
    »Also gut«, sagte Matt schließlich seufzend.
    »Um das Ganze auf den Punkt zu bringen: Es ist ein böser Geist.«
    Die Mienen der Zuhörer hellten sich auf. Matt spürte förmlich, wie sich die Aufmerksamkeit plötzlich auf ihn konzentrierte.
    Tschak trat den Hund zur Seite und stand auf.
    »Warum sagst du das nicht gleich?«, rief er.
    »Weißt du auch, wie man ihn bannen kann?«
    »Ich weiß zumindest, wie man ihn daran hindert, noch mehr Menschen zu befallen.«
    Matt sah sich in der Runde um. Das ganze Dorf schien sich vor Tschaks Hütte versammelt zu haben. Selbst seine Frau Ely war auf ihrem Stuhl nach draußen getragen worden. Sie weinte.
    Matt konnte ihr das nicht verdenken. Zuerst war ihr Sohn krank, dann gesund, dann noch schwerer krank. Und jetzt verbot ihr ein Fremder auch noch, neben seinem Bett zu sitzen und ihn zu pflegen.
    Mit seiner Behauptung, der Krankheit bei einer Reise schon einmal begegnet zu sein, hatte sich Matt genügend Autorität verschafft, um das Kommando an sich zu reißen.
    Er hatte Ruut in einer kleinen Hütte isoliert, die Trage verbrennen lassen, auf der er von den Heilern zurückgebracht worden war, und allen, die Ruut berührt hatten, geraten, sich sorgfältig mit heißem Wasser zu waschen. Er bezweifelte, dass sie sich daran hielten.
    Aruula hatten die Frauen in eine andere Hütte gebracht und kümmerten sich dort um sie. Matt hoffte, dass sich ihr Zustand nicht verschlechtert hatte. Persönlich davon überzeugen konnte er sich jedoch nicht, denn auch er hatte Ruut berührt…
    »Es sind die Heiler«, sagte Ely bitter. »Sie wollen uns vernichten.«
    »Das ist nicht wahr«, widersprach Tschak in sanftem Tonfall. »Sie haben vielen von uns geholfen. Manche Krankheiten können sie nun mal nicht…«
    »Siehst du denn nicht, was passiert?!«, schrie seine Frau so unerwartet laut, dass Matt zusammenzuckte. »Sie rotten deine Familie aus! Zuerst verhindern sie, dass ich dir mehr als einen Sohn gebären kann, dann strafen sie diesen Sohn mit einer Krankheit. Die Heiler haben uns verflucht!«
    Matt versuchte sie zu beschwichtigen:
    »Warum sollten sie das tun? Ihr versorgt sie doch mit Nahrung. Ohne euch können sie da oben nicht überleben.«
    »Sollen sie doch verhungern!« . Mit Ely war nicht zu reden. Die Verbitterung über ihre Behinderung und die Sorge um ihren Sohn ließen sie zur Furie werden.
    Matt stellte sich vor, wie Ely jahrelang die Menschen beobachtet hatte, die todkrank zu den Heilern geschickt wurden und gesund zurückkehrten, während sie selbst ohne Hoffnung auf Hilfe an einen Stuhl gefesselt war. Die Krankheit ihres Sohns war nicht mehr als der Tropfen gewesen, der das sprichwörtliche Fass zum Überlaufen brachte.
    »Mama, mir ist schlecht«, sagte eine dünne Stimme hinter Matt. Er drehte sich um und sah, wie ein kleines Mädchen in die ausgestreckten Arme seiner Mutter sank. Am Hals des Kindes befanden sich dunkle Flecken. Matt fluchte stumm.
    Er hatte gehofft, die Krankheit durch die rasche Quarantäne Ruuts in den Griff bekommen zu haben. Jetzt musste er sich eingestehen, dass seine Vorsichtsmaßnahmen mehr als dilettantisch gewesen waren. Er hätte jeden - einschließlich sich selbst - isolieren müssen, der mit Ruut in Berührung gekommen war.
    Das hatte er nicht getan, und die Pest rächte sich dafür mit der Gnadenlosigkeit eines militärischen Gegners.
    Sie schlug zu.
    ***
    Aruula träumte.
    Rogad hatte den Arm um sie gelegt und drückte sie fest an sich. Gemeinsam saßen sie in dem kleinen Wohnraum ihrer Hütte. Sie warteten.
    Draußen blies der Wind gegen die hölzernen Fensterläden. Ab und zu wehte ein wenig Schnee unter der Türschwelle hindurch und schmolz auf dem Fußboden. Das Feuer prasselte unter einem brodelnden Kochtopf, aber weder Rogad noch seine Frau nahmen die Essengerüche wahr, die durch das Zimmer zogen.
    »Was machen die bloß so lang?«, fragte Rogad. Seine Stimme zitterte vor Nervosität. Aruula antwortete nicht, sondern starrte nur auf die Tür, hinter der die beiden weisen Frauen verschwunden waren. Das schien bereits Stunden her zu sein.
    Trotz des Feuers zog es kalt durch den Wohnraum. Aruula wusste, dass Rogad sein Möglichstes getan hatte, um die Ritzen und Spalten der Holzhütte abzudichten, aber ganz war es ihm nicht gelungen. Wenn die Winterstürme sich mit aller Macht gegen
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