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015 - Die Heiler

015 - Die Heiler

Titel: 015 - Die Heiler
Autoren: Claudia Kern
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die Wände warfen, zog es so stark, dass der Rauch des Feuers sich im Raum verteilte, anstatt durch den Kamin abzuziehen. Dann saß die kleine Familie mit tränenden Augen am Tisch und wartete, bis sich die Luft beruhigt hatte.
    Als Feyn zu husten begonnen hatte, dachte Aruula, es läge am Rauch. Ihrem kleinen Sohn schien es ansonsten gut zu gehen. Er weinte wenig und schlief immer sofort ein, wenn sie ihn in die Wiege legte, die Rogad gebaut hatte. Bis zum gestrigen Abend, als er nicht mehr aufhörte zu husten. Die ganze Nacht hatten sie bei ihm gesessen, aber es war immer schlimmer geworden.
    Schließlich war Rogad aufgebrochen, um die weisen Frauen zu holen. Er hatte Glück, denn sie kamen trotz des Schnees.
    Jetzt konnten sie nur noch warten.
    Aruula horchte auf Laute aus dem kleinen Gemeinschaftsschlafraum, aber sie hörte nichts. Feyn hatte sogar aufgehört zu husten. Sie wusste nicht, ob das ein gutes Zeichen war, hoffte es jedoch.
    Sie warf Rogad einen verstohlenen Blick zu. Er schien tief in Gedanken versunken zu sein.
    Vielleicht tief genug, um nicht zu bemerken, dass sie lauschte …
    Diese Fähigkeit beherrschten viele Mitglieder ihres Volkes, trotzdem wurde sie innerhalb der Gemeinschaft fast nie eingesetzt. Nur so konnte die Privatsphäre des Einzelnen gewahrt bleiben. In jeder anderen Situation hätte Aruula dieses ungeschriebene Gesetz respektiert, aber hier ging es schließlich um Feyn…
    Sie konzentrierte sich. Es fiel ihr nicht einfach, die Umgebung und alle wachen Gedanken zu verdrängen, aber schließlich öffnete sich ihr verborgener Sinn.
    Aruula lauschte.
    Beinahe zufällig berührte sie Rogads Geist, spürte die Hoffnung und die Angst, die an der Oberfläche lagen. Sie ließ ihn zurück, tastete sich weiter. Aus den Stallungen drangen die primitiven Gefühle der Tiere zu ihr durch.
    Hunger, Kälte, Müdigkeit. Auch die beachtete sie nicht weiter.
    Aruula spürte die Anwesenheit der beiden weisen Frauen im Nebenraum. Gern hätte sie in ihren Gedanken nach den Aussichten für ihren Sohn gesucht, aber sie wagte es nicht aus Angst, sie könnten die Lauscherin bemerken.
    Dann fand sie Feyn. Ganz schwach berührte sein Geist den ihren und verschwand. Aruulas klagender Schrei zerriss die Stille.
    Ihr Sohn war tot.
    ***
    Matt ließ sich unauffällig in die hinteren Reihen der Menge drängen, in deren Mitte Ely mit neu entfachtem Eifer gegen die Heiler predigte.
    Wenn sie so weiter macht, hetzt sie noch das ganze Dorf auf, dachte er mit einem mulmigen Gefühl. Er war sicher, dass die Menge nur noch ein oder zwei Krankheitsfälle benötigte, um sich endgültig von Ely anstacheln zu lassen. Diesem Mob musste er zuvorkommen.
    Matt ging den breiten Weg entlang, der zum Atomium führte, und versuchte eine logische Begründung für den Ausbruch der Beulenpest zu finden. Es war möglich, dass Ruut vorher bereits krank gewesen war und die Heiler erkannt hatten, dass sie ihm nicht helfen konnten. Nur widersprach dieses Szenario Matts Annahme, die Bewohner der Kugeln hätten Antibiotika. Damit wäre es ein Leichtes, die Pest zu heilen. Eine weitere Möglichkeit war, dass die Heiler Ruut absichtlich mit der Krankheit infiziert hatten, aber daran wollte Matt nicht so recht glauben.
    Nur eins war sicher: Im Inneren der Kugeln befand sich die Antwort auf all seine Fragen. Dort musste er hin.
    Matthew blieb stehen, als er die Hütte erreicht hatte, in der Aruula lag. Die Tür war geschlossen, ebenso die hölzernen Fensterläden, die verhindern sollten, dass die Wärme des Tages durch die glaslosen Öffnungen entwich. Matt hob einige kleine Steine auf und warf sie gegen das Holz. Nach einem Moment öffnete sich ein Fensterladen. Eine der beiden Frauen, die Aruula versorgten, lehnte sich hinaus. Vorsichtshalber trat Matt einen Schritt zurück. Wenn er sich wirklich mit der Pest infiziert hatte, konnte er nicht vorsichtig genug sein.
    »Wie geht es ihr?«, fragte er ohne Umschweife.
    Die Frau neigte den Kopf. Es war ihr anzusehen, dass sie nicht wusste, ob sie lügen sollte.
    »Sag mir die Wahrheit«, drängte Matt.
    »Es tut mir Leid«, entgegnete die Frau nach kurzem Zögern, »aber deine Gefährtin wird die Nacht nicht überleben. Der böse Geist, der in ihr wohnt, ist zu stark.«
    Matts Herz setzte einen Schlag aus. Wie in Trance dankte er der Frau für ihre Ehrlichkeit und ging weiter den Weg entlang.
    Du musst etwas tun, forderte eine innere Stimme. Hilf ihr!
    Hinter dem Atomium versank die Sonne in einem
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