015 - Die Heiler
und hätte beinahe laut aufgestöhnt. Er hatte einen Fenstersims gefunden. Das zugehörige Fenster befand sich direkt vor ihm. Er hatte es mit seinem Körper verdeckt.
Matt stützte sich mit dem linken Fuß auf dem Sims ab, um seine schmerzenden Arme zu entlasten. Dann holte er mit dem rechten Fuß aus und trat heftig gegen die blinde Scheibe, die klirrend zersprang.
Sein Fuß fand erneuten Widerstand. Anscheinend waren die Fenster von innen gesichert.
Wieder trat er zu. Der Rest der Scheibe fiel in Scherben nach unten. Der Widerstand verlagerte sich etwas. Beim nächsten Tritt verlor Matt den Kontakt mit dem Objekt.
Er atmete tief durch
Und jetzt zum schwierigen Teil, dachte er nervös, denn wenn er nicht mit den Füßen voran durch das Fenster und möglicherweise direkt in eine Falle springen wollte, musste er zuerst seinen Halt opfern.
Breitbeinig balancierte er auf dem schmalen Sims. Als er einen sicheren Stand hatte, löste er seine Finger von dem Vorsprung. Er verdrängte jeden Gedanken an den unter ihm gähnenden Abgrund.
Matt ging vorsichtig in die Hocke und sah durch die zerstörte Scheibe.
Überall standen Kisten herum. Eine davon hatte wohl auch das Fenster blockiert, denn sie lag jetzt umgestürzt auf dem Boden. Ein feuchter Fleck hatte sich darunter gebildet.
Es war niemand zu sehen.
Erleichtert sprang Matt in den Raum. Es war empfindlich kühl hin drinnen. Matts Atem wölkte als weißer Hauch von seinem Mund. Er sah sich einen Moment suchend um, dann entdeckte er einen Stahlträger, der für seine Zwecke geeignet war.
Er nahm das Seil von der Schulter und knotete es mit der linken Hand und den Zähnen an dem Stützbalken fest. Seine verletzte rechte Hand konnte er nach der Anstrengung kaum noch bewegen.
Mit dem Rest des Seils ging er zum Fenster und warf es hinaus. Zufrieden hörte er, wie das Seilende mit einem satten Geräusch auf dem Boden aufschlug. Jetzt war er zumindest vorbereitet, sollte er zu einem überstürzten Rückzug gezwungen sein.
Darüber, wie er mit einer Hand an diesem Seil herunterklettern sollte, wollte er sich Gedanken machen, wenn es so weit war.
Matt griff in seine Uniform und zog die Taschenlampe hervor. In deren Licht widmete er sich den Kisten. Auf den ersten Blick sah er, dass sie aus der alten Welt stammen mussten, denn heute wusste niemand mehr, wie man Aluminium oder Plastik herstellte.
Der ganze Raum war voll von diesen Kisten und Behältern. Sie stapelten sich an den Wänden hinauf bis zur gewölbten Decke. Einige davon waren geöffnet, andere anscheinend leer.
Neugierig ging Matt zu einem offenen Metallbehälter, der direkt neben der einzigen Tür stand.
Charlemagne Hospital, Bruxelles, war im Deckel des Behälters eingestanzt. Darunter befanden sich Warnhinweise in fünf verschiedenen Sprachen.
Nicht ungeschützt öffnen, las Matt.
Ein rußgeschwärztes gelbes Dreieck an der Vorderseite des Containers betonte die Warnung noch einmal. Jemand hatte einen handschriftlichen Zusatz unter dem Dreieck angebracht.
Matt richtete den Strahl der Taschenlampe darauf und beugte sich vor: Yersiniapestis!
Gott!, dachte Matt schockiert und trat automatisch einige Schritte zurück. Pestbakterien!
Sein Blick fiel auf die umgestürzte Kiste und den feuchten Fleck, der sich langsam über den Fußboden ausbreitete. Welcher medizinische Horror verteilte sich wohl gerade daraus in die Luft?
Er leuchtete den nächsten Behälter an. Laut der Aufschrift befanden sich darin Einwegspritzen. Andere Behälter waren mit lateinisch klingenden Namen versehen, die Matt nichts sagten. Auf manchen davon fehlten die Warnungen.
Ein Verdacht keimte in dem Amerikaner auf. Hatte hier etwa ein Krankenhaus seine Bestände vor »Christopher-Floyd« schützen wollen? Dafür sprach auch die herrschende Kälte, die inzwischen aber durch das zerbrochene Fenster entwich. Offenbar speiste der Notstrom ein hier installiertes Kühlaggregat.
Aber warum im Atomium? Sicherlich hatte es doch in Brüssel besser geschützte Räume gegeben.
Matt dachte daran, dass nichts von der Stadt übrig geblieben war. Vielleicht hatte sich der Untergang Brüssels bereits kurz nach der Katastrophe angebahnt… Knarrend öffnete sich die Tür. Jemand betrat den Raum!
***
Aruula träumte.
Der Tod ihres Vaters jährte sich erneut, und wie es die Tradition verlangte, hatten sich all seine Kinder auf dem Hügel über dem Dorf versammelt, um ihn zu ehren.
Der Wind zerrte an Aruulas Haaren, als sie neben den Priester
Weitere Kostenlose Bücher