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0150 - Der »Mongole« und wir

0150 - Der »Mongole« und wir

Titel: 0150 - Der »Mongole« und wir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der »Mongole« und wir
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Nachbarhäuser links und rechts die Gestalten der G-men auftauchten.
    Ich konnte Hardy nicht sehen. Irgendwo hinter den Aufbauten musste er in Deckung liegen. Aber von den Nachbarhäusern konnte seine Deckung eingesehen werden. Einer der Kollegen legte die Hände an den Mund.
    »Hallo, Jerry!«, rief er. »Er kniet neben dem vierten Schornstein von links. Was sollen wir machen?«
    »Hat er das Kind bei sich?«
    »Ja!«
    »Dann wartet!«
    »Kann ich heraufkommen?«, rief Phil ungeduldig.
    Ich brachte die Smith & Wesson in Anschlag und nahm den vierten Schornstein aufs Korn. Nichts rührte sich dahinter, aber wenn Hardy versuchen würde, Phil abzuschießen, musste er seine Hand und wenigstens seine Nasenspitze zeigen.
    »Komm!«, rief ich.
    Phil schoss geradezu auf das Dach. Er raste nach rechts und verschwand mit einem Hechtsprung hinter einer windschiefen Bretterbude, die vielleicht einmal als Kaninchenstall gedient hatte.
    Ich versuchte noch einmal, Kenneth Hardy von der Sinnlosigkeit weiteren Widerstandes zu überzeugen.
    »Gib auf, Kenneth!«, rief ich. »Du bist umstellt.«
    Er antwortete zwar nicht, aber nach zwei Minuten reagierte er auf eine Weise, die ich nicht erwartet hatte. Er kam hinter seiner Deckung hervor.
    ***
    Im trüben Licht dieses regnerischen Morgens sah ich deutlich sein grauweißes, wildes.Gesicht, in dem die dunklen Augen wie Kohlen glühten. Er trug nur Hose und Hemd. Einer der Hemdsärmel flatterte zerrissen. Seine Hose war verschmiert vom Schmutz des Dachs.
    Aber das Schlimmste an diesem Anblick war, dass er auf dem linken Arm das Kind trug, ein vielleicht vierjähriges blondes Mädchen, das in einem langen, mattblauen Nachthemdchen steckte. Es weinte laut, aber das Weinen klang trotzdem nur wie ein dünnes Geräusch bis zu mir.
    »Gebt den Weg frei!«, rief Hardy rau. »Oder…«
    Es war soweit. Ich hatte die Smith & Wesson im Anschlag, aber es war unmöglich, auf den Gangster zu schießen.
    Genau sah ich die Pistole in seiner rechten Hand, aber hart neben dieser Hand lag das nackte Beinchen des Kindes an der Brust des Gangsters. Gewiss, ich schieße gut, aber dieses Ziel war selbst für einen Kunstschützen zu unsicher.
    Langsam schob ich mich aus der Hocke hoch- Ich weiß nicht, ob ich auf Hardy zugehen wollte. Manchmal, wenn ich gewisse Dinge erlebe, dann werden meine Handlungen nicht mehr vom Verstand, sondern von Empfindungen bestimmt, und jetzt hatte ich das Gefühl, dass ich auf Hardy zugehen müsse, um ihm das Kind aus dem Arm zu nehmen.
    Hinter der windschiefen Bretterbude kam Phil hervor. Er ging langsam aufrecht und jede Deckung verschmähend auf den Gangster zu. Er hatte die Hände halb erhoben, die Flächen nach außen gekehrt, um zu zeigen, dass seine Hände leer waren.
    Hardy schoss sofort nach ihm aus der halben Wendung heraus, die er machte, als er Phil gewahrte. Er traf nicht, und Phil ging weiter, nicht schneller, nicht langsamer.
    »Zurück, Phil!«, schrie ich und hob die Smith & Wesson erneut, die ich schon einstecken wollte.
    Er ging weiter. Kenneth Hardy feuerte zum zweiten Mal. Phil zuckte zusammen. Seine Hand fuhr an die linke Hüfte. Er verharrte einen Augenblick, hob die Hand wieder und ging weiter.
    »Gib mir das Kind, Kenneth!«, sagte er, nicht laut und auf eine seltsam sanfte Art.
    Das Kind, vielleicht erschreckt durch die Schüsse, zappelte und wand sich in Hardys Arm. Es entglitt ihm, rutschte an seinem Körper entlang. Er fasste zu, bekam es auch zu fassen, aber jetzt deckte es nur den unteren Teil des Körpers. Sein Kopf, sein Hals und ein Teil seiner Brust waren frei.
    Ich zielte auf den Kopf. Entweder erwischte ihn die Kugel und tötete ihn, oder er ging frei aus. Das Kind jedenfalls konnte nicht getroffen werden, aber ich konnte nicht untätig Zusehen, dass er Phil abschoss.
    Nie haben die Abschüsse meiner Smith & Wesson lauter in meinen Ohren gedröhnt. Ich gab ihm drei Kugeln, und mein zweiter Schuss und sein dritter, den er Phil zudachte, fielen zusammen, aber es war schon die Hand eines toten Mannes, die im letzten Krampf diese Kugel abfeuerte.
    Hardys Kopf flog in den Nacken. Wie ein roter Vorhang lief das Blut über sein Gesicht. Seine Hände ließen die Pistole und das Kind los, er stürzte…
    Plötzlich lag tiefe Stille über dem Dach, eine Stille, in der man das beginnende Brodeln des Großstadttages aus den Tiefen der Straßenschluchten hören konnte wie das ferne Rauschen eines bewegten Meeres. Und über diesem Rauschen stand das dünne

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