0150 - Der »Mongole« und wir
Weinen des Kindes wie das Schluchzen eines Vogels.
***
Ich riss Phil die Jacke vom Körper und hüllte das Kind darin ein. An der Hüfte war sein Hemd blutig. Ich war mit drei Sätzen bei ihm.
»Lass sehen!«, sagte ich.
»Das ist nichts«, wehrte er ab. »Ein Kratzer.«
»Du elender, verrückter Hund!«, fluchte ich.
Er sah mich an. In seinen blauen Augen stand ein ironisches Lächeln.
»Eine Minute später wärst du auf ihn zugegangen, nicht wahr?«, fragte er. »Warum soll ich dir nicht einmal zuvorkommen? Mach Platz! Das Kind muss ins Warme.«
Das Mädchen auf dem Arm stieg er die Feuerleiter hinunter. Ich kniete neben dem reglosen Hardy. Vor seinen Füßen lag die Waffe, die er benutzt hatte.
Es gab nichts mehr zu tun, außer der Routinearbeit. Ich verließ das Dach.
Kitty Cunnan mussten wir in ein Krankenhaus schaffen. Sie erlitt, als sie aus ihrer Ohnmacht erwachte, einen Schreikampf.
Vorläufig konnten wir nicht damit rechnen, etwas von ihr zu erfahren.
Ich durchsuchte die Wohnung, fand Hardys Jacke und ein paar Sachen, die ihm gehörten, aber nichts Besonderes gab es in den Taschen.
Neben dem Sofa stand eine Ginflasche. Sie war fast noch voll. Nur der Inhalt von zwei oder drei Gläsern mochte fehlen.
Ich wartete, bis Kenneth Hardys Leichnam fortgeschafft worden war. Phil hatte das Kind in einen Hort katholischer Nonnen gebracht. Ich fand ihn selbst bei unserem Arzt, der seine Wunde verpflasterte. Es war wirklich nur ein Kratzer.
»Nun?«, fragte er.
Ich zuckte die Achsel. »Nichts. Kein Notizbuch, kein beschriebener Zettel, kein Brief, nichts, das einen Hinweis geben könnte.«
»Vielleicht weiß die Frau etwas?«
»Sie ist vorläufig nicht vernehmungsfähig.«
»Nun hat Tony Bellogg doch seinen Willen bekommen«, stellte Phil fest.
»Leider, aber es blieb mir nichts anderes über.«
Phil warf mir einen raschen Blick zu.
»Fertig«, sagte der Doktor.
»Gehen wir!«
Phil stopfte das Hemd in die Hose und zog seine Jacke an. »Zeit, dass wir gründlich ausschlafen.«
Ich fuhr ihn nach Hause, trank noch einen Schluck mit ihm, fuhr zu meiner Wohnung, duschte und legte mich ins Bett.
Einen Tag später erhielt ich einen Brief, ein amtliches Schreiben: »Sir, beim Postamt 36 sind für Sie Dollar 5000 eingegangen, die wir für Sie in Verwahr genommen haben. Wir bitten Sie, die Summe gegen Vorlage, eines gültigen Ausweises innerhalb der nächsten acht Tage am Schalter 6 abzuholen.«
Die Unterschrift war ein Stempel: Post der Vereinigten Staaten, Geldverrechnungsstelle.
***
Die Gesellschaft war die gleiche wie bei meinem ersten Besuch in Tony Belloggs Büro. Tony, Honey Sorly, Shelley Bane, Hank Argot und Jonny O’Wara, der aus seinem Sessel auffuhr, als ich eintrat.
Ich versenkte eine Hand in der Brusttasche.
»Bleib sitzen, Kanadier«, sagte ich. »Ich bin heute schlecht gelaunt.«
»Keinen Ärger, Jonny!«, rief Bellogg.
Grunzend ließ sich der Hüne wieder in den Sessel fallen.
Ich gihg auf Tony los, der hinter seinem Schreibtisch sitzen geblieben war. Ich stellte die Aktenmappe, die ich mitgebracht hatte, auf die Tischplatte.
»Da sind fünftausend Dollar drin«, sagte ich.
Tony verzog sein schönes, leicht fettes Gesicht zu einem Lächeln.
»So«, sagte er. »Willst du sie mir bringen? Aber ich wüsste nicht, dass du Schulden bei mir hättest.«
»Die Scheine stammen von dir.«
»So«, machte er wieder. »Woher weißt du das? Stand mein Name auf dem Absender?«
»Auf dem Absender stand der Name Louis B. Smith.«
»Heiße ich vielleicht Louis B. Smith? Warum also willst du mir die Dollars bringen?«
Ich machte eine schnelle Bewegung mit der Hand, packte über den Tisch hinweg Bellogg so eng an der Krawatte, dass ihm die Luft knapp wurde.
»Schluss, Tony«, zischte ich. »Ich lasse nicht mit mir Katz und Maus spielen. Du wirst jetzt jede meiner Fragen beantworten. Warum hast du mir die Dollars geschickt?«
»Besser, du lässt mich vorher los«, stieß er hervor.
Ich tat ihm den Gefallen. Er rieb seinen Hals, rückte seine Krawatte gerade, warf mir aus den Augenwinkeln einen bösen Blick zu.
»Fasse mich nicht noch einmal an, G-man«, sagte er.
Ich lachte hart auf. »Das kommt ganz auf dich an, Tony. Also, warum schicktest du mir das Geld?«
»Weil Kenneth Hardy tot ist.«
»Du glaubst, ich hätte ihn erschossen, weil du es verlangt hast?«
Ohne jeden Übergang lächelte er wieder.
»Ich bilde mir ein, dass du es mir zuliebe getan hast.«
»Drei Dutzend G-men und
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