0151 - Die Gruft der Leichenräuber
ein trüber Tag gewesen. Selbst gegen Mittag war es nicht richtig hell geworden.
»Bist du über die Ruine informiert?« fragte ich den Kommissar.
»Wie meinst du das?«
»Wem hat sie gehört?«
Mallmann hob die Schultern. »Keine Ahnung. Es fühlt sich auch niemand dafür zuständig. Zum letztenmal war sie während der amerikanischen Besatzungszeit belegt. Da diente sie als eine Art Hauptquartier. Als die Amerikaner ausgezogen waren, hat sich niemand mehr um das Gemäuer gekümmert. Wandergruppen sind wohl dort hingezogen, das ist auch alles. Allerdings hat man in der Nähe einen der berühmten Grillplätze eingerichtet. Im Sommer herrscht da Betrieb.«
Ich warf Will Mallmann einen schrägen Blick zu. »Und die Ghouls?«
»Wir haben nichts gehört.«
»Na ja.«
Wir durchfuhren ein Dorf. Die Straße wurde in der Ortsmitte sehr eng. Geschäfte, Wohnhäuser zu beiden Seiten, Menschen auf den schmalen Bürgersteigen.
Alles sah normal aus.
Nach dem Ort wurde die Straße breiter. Waldgelände, ansteigend.
Zahlreiche Fichten wiegten ihre großen Kronen im Wind.
Will Mallmann blieb noch auf der Straße, bis er dann in einen schmalen Weg einbog. »Der führt direkt in die Nähe der Burg«, erklärte er mir.
»Und zum Tatort?«
»Auch.«
Der Feldweg testete die Stoßdämpfer des Manta. Wir wurden ziemlich durchgeschüttelt. Enge Kurven. Zweige wischten über das Wagendach. Es wurde noch dunkler.
Dann sahen wir eine Lichtung. Mallmann lenkte seinen silbergrauen Flitzer nach links. Die breiten Reifen wühlten die weiche, feuchte Erde auf.
Der Kommissar stoppte. »Endstation.«
Wir stiegen aus.
Braunes Gras scheuerte an meinen Hosenbeinen. Die Luft war kalt. Sofort stand der Atem vor meinen Lippen. Ich war froh, die gefütterte Jacke angezogen zu haben.
Vom Rücksitz nahm ich den Einsatzkoffer und klappte ihn auf. Ich gab Will eine mit Silberkugeln geladene Waffe und auch den Dolch.
Ich selbst trug die Beretta und das Kreuz bei mir. Dann steckte ich mir noch die magische Kreide ein, sowie die Dämonenpeitsche, die mir Suko überlassen hatte. Er besaß ja jetzt einen Stab aus dem Erbe des großen Buddha.
»Du hast gut vorgesorgt«, sagte Will.
Ich nickte. »Das muß man auch.«
Will schlug die Tür zu und schaute mich fragend an. »Gehen wir zuerst zum Grab?«
»Meinetwegen.«
Der Kommissar schritt vor. Er bahnte sich seinen Weg quer durch das Gelände. Nur gut, daß ich festes Schuhwerk angezogen hatte.
Wege gab es nicht. Oft mußte ich mich ducken, um unter tiefhängenden Zweigen herzulaufen. Es war still in diesem Wald. Unsere Schritte verursachten die einzigen Geräusche. Sie wurden lauter wenn wir über gefrorenen Schnee gingen.
Hin und wieder schreckten wir einen Vogel auf, der hastig einen anderen Platz anflog.
Noch bevor wir das Ende des Waldes erreichten, gestatteten mir die etwas weiter auseinanderstehenden Bäume eine freiere Sicht.
Und ich entdeckte den Friedhof.
Er sah wirklich verwahrlost aus. Wie der alte Totenacker, den ich vor kurzem in Soho gesehen hatte, als Glenda Perkins und ich uns gegen die flammenden Augen verteidigen mußten.
Will war stehengeblieben. Er streckte den Arm aus. »Hier ist es passiert!«
Ich nickte. Mein Blick schweifte über den Totenacker. Schief in der Erde stehende Grabsteine, die alle die gleiche Form aufwiesen. An der Oberkante liefen sie rund zu und beschrieben dort einen Halbbogen. Kreuze sah ich nicht, dafür viel hohes Unkraut, manchmal war es höher als die Steine.
An einigen Stellen war das braune Wintergras geknickt, ein Zeichen, das hier jemand hergelaufen war. Der Wind bewegte die Gräser und leichteren Zweige der Unkrautbüsche.
Ein Bild des Jammers bot dieser Friedhof.
»Und wo ist das Grab, in dem die Leiche deines Kollegen gefunden wurde?« fragte ich.
Will Mallmann deutete weiter nach links. Dann ging er vor.
»Wie ist dieser Harry Hörger hierhergekommen?« wollte ich wissen.
»Das haben wir auch herausgefunden. Mit einem Motorrad. Den Rest der Strecke ist er dann zu Fuß gelaufen.«
Ich lachte. »Er hätte lieber eine Geländemaschine nehmen sollen.«
»Bestimmt.«
Wir gingen zwischen den Grabreihen hindurch. Ein paarmal blieb Will stehen und prüfte durch Tritte die Oberflächenfestigkeit der einzelnen Gräber.
»Warum machst du das?«
Der Kommissar drehte sich um. »Weil Ziegler auf einem Grab eingesackt ist. Könnte ja sein, daß es hier noch mehr dieser heimtückischen Fallen gibt.«
»Klar.«
Die Gräber waren normal.
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