0151 - Die Gruft der Leichenräuber
seinem Freund ja nicht blamieren.
»Okay«, sagte Werner Tonagel, »das ist ein Wort. Wir sehen uns die Ruine mal an.«
Sie wichen etwas vom Weg ab, denn der Grillplatz lag weiter westlich.
Beide Jungen waren selbst noch nicht dagewesen. Sie hatten nur davon gehört. Von den Alten traute sich ja niemand, das Gemäuer zu betreten. Sie hatten zuviel Angst.
»Der Friedhof liegt auch ganz nahe«, meinte Werner so nebenbei.
»Ich weiß.«
»Willst du den auch sehen? Oder gibt es dort keine Geister?«
»Weiß nicht.«
»Dann können wir ja hingehen.«
Hermann schüttelte den Kopf. »Mir ist die Ruine ehrlich gesagt lieber.«
Schon bald lichtete sich der Wald. Die Bäume standen nicht mehr so dicht nebeneinander, ein freierer Durchblick war möglich. Noch hatte die Dämmerung die Tageshelle nicht verdrängt, und die beiden Freunde konnten tatsächlich das alte Gemäuer schon sehen.
Viel stand von der Burg wirklich nicht mehr. Hin und wieder ein Mauerrest, der kaum mannshoch war und einen freien Blick in den ehemaligen Innenhof gestattete.
Dort waren noch einige Gebäude erhalten, auch wenn der Zahn der Zeit an ihnen genagt und das Unkraut die Mauern und Wände zum Teil überwuchert hatten.
In der unmittelbaren Umgebung der Ruine versperrten klotzige Steine den Weg, die von den beiden Freunden überklettert werden mußten. Dann standen sie an der Mauer.
»Willst du immer noch?« neckte Werner seinen Freund.
Hermann stieß ihn in die Seite. »Sicher.« Er hob den Arm und deutete in die Runde. »Hier ist doch alles klar, kein Geist, kein Gespenst. Niemand, der spukt.«
»Noch sind wir nicht drin.«
»Ach, hör auf.« Hermann suchte weiter, stützte beide Hände auf den moosigen Mauerrand und bewegte den Kopf einmal nach links und dann wieder nach rechts.
»Was suchst du denn?« fragte Werner.
»Die Gruft.«
»Unter der Erde!«
»Weiß ich auch«, erwiderte Hermann. »Aber es muß doch irgendwo einen Einstieg geben.«
»Vielleicht innen.«
»Möglich.« Hermann Deubzer flankte mit einem Satz über die Mauer und stand im ehemaligen Innenhof der Burg.
Hier schaute er sich um.
»Geh mal nach links!« rief Werner Tonagel, ebenfalls über die Mauer flankend. »Dieses alte Steinhaus interessiert mich. Sieht wie ein Stall aus.«
»Und da soll die Gruft sein?«
»Weiß ich doch nicht.«
Die beiden Freunde gingen los. Eine Tür hatte das Gebäude nicht.
Sie warfen einen Blick ins Innere, konnten aber kaum etwas erkennen, weil es zu dunkel war.
»Nichts zu machen«, meinte Werner.
Sie gingen weiter. Das Hauptgebäude war wirklich nur noch eine Ruine. Zwar stand die Vordermauer, und auch die breite Treppe war erhalten geblieben, doch das Dach hatte den Belastungen der Zeit nicht widerstehen können und war eingefallen. Ein paar dicke Holzbohlen stachen noch wie bizarre Zeugen einer anderen Zeit in den immer dunkler werdenden Himmel.
Vor der Treppe blieben die Jungen stehen. Hermann deutete nach vorn. »Ob wir da mal nachsehen?«
Werner schüttelte den Kopf. »Das ist mir zu gefährlich.«
»Doch Angst vor Geistern?«
»Nein, aber vor Einsturzgefahr.«
Hermann winkte ab. »Hör auf. Das hat hier so lange gestanden und wird uns auch noch überleben.«
»Mensch, das ist Bruch. Hast du denn Tomaten auf den Augen?«
»Ich versuch's trotzdem.«
Hermann wollte gehen, doch Werner hielt ihn fest. »Bleib hier, Mann. Wenn irgend etwas einbricht…«
»Laß mich los.«
Seufzend ließ Werner seinen Arm sinken.
Hermann grinste den Freund an. »Wenn du zu feige bist, kannst du ja hier warten.«
»Das tue ich auch.«
Hermann Deubzer trennte sich von seinem Freund und stieg langsam die Stufen der Treppe hoch. Die sah ziemlich brüchig aus. Zahlreiche Stufenecken gab es nicht mehr. Die Steine sahen aus, als hätte jemand mit Eisenfüßen dagegengetreten.
Doch die Treppe hielt.
Dahinter gähnte der Eingang.
Die Tür war längst zerstört worden und hing nicht mehr in den Angeln. Früher war man direkt in die Halle getreten, das ging leider nicht mehr, denn ein großer Teil des Fußbodens fehlte. Er war einfach in die Tiefe gestürzt und lag dort als Trümmerrest. Wo der Boden noch erhalten war, lagen Teile des Dachstuhls hochkant und quer über- und ineinander verschachtelt, so daß sie einen regelrechten Wirrwarr bildeten – aus Holz, Schutt und Staub. Vieles war feucht und modrig, da der Regen ungehindert in die ehemalige Halle hineinfallen konnte.
»Hast du genug gesehen?« rief Werner.
»Nein.«
»Komm
Weitere Kostenlose Bücher