0151 - Die Gruft der Leichenräuber
die Rückseite vornehmen, aber dazwischen lag ja noch das halbzerstörte Innere. Vielleicht sah ich dort etwas. Manchmal findet ja auch das blinde Huhn ein Korn.
Ich fand zwar kein Korn, hörte aber den gellenden Angstschrei.
Ohne lange zu überlegen wußte ich, wo er aufgeklungen war.
Im Schloß.
Ich rannte los!
***
Möglicherweise war die Treppe brüchig, vielleicht hielt sie meinem Gewicht nicht stand, aber das war mir jetzt egal. Ein Mensch hatte geschrien, jemand befand sich in Lebensgefahr, und da mußte ich helfen. Koste es, was es wolle.
Ich nahm die Treppe mit zwei gewaltigen Sätzen, wobei ich meinen Körper streckte wie ein Weitspringer.
Und ich hatte Glück.
Die Stufen hielten.
Ein weiterer Schritt. Im nächsten Augenblick übertrat ich die Schwelle und blieb wie angewurzelt stehen, wobei ich noch wild mit den Armen ruderte um das Gleichgewicht zu behalten.
Vor mir gähnte die Tiefe.
Ein gewaltiges Loch befand sich im Boden, durch das ich in den Burgkeller starren konnte.
Zuerst war nichts zu sehen, weil ich mich an die Lichtverhältnisse gewöhnen mußte. Ich konnte sowieso nur Schemen ausmachen.
Aber irgendwelche Gestalten bewegten sich dort.
Ich nahm die Lampe, schaltete sie ein und ließ den Strahl wandern. Er reichte zum Glück bis zum Boden, riß dort Staub, Dreck und Trümmer aus der Dunkelheit. Als ich ihn weiterschwenkte, hatte ich das Gefühl, einen Stromstoß zu bekommen. Gleichzeitig erklang wieder ein gellender Schrei auf.
Ausgestoßen war er von einem jungen Mann, der sich in den Klauen eines widerlich schleimigen Monsters befand, das ihn auf eine im Boden befindliche Öffnung zuzerrte.
Da hatte ich den Ghoul vor mir!
Aber ich sah noch mehr. Aus der Öffnung war ein zweiter Ghoul gekrochen. Seine langen Arme hielt er ausgestreckt, um seinen Artgenossen zu unterstützen.
Der Junge hatte keine Chance. Die Ghouls waren zu stark und hatten ihr Opfer schon bis an die Öffnung vorgezogen, wo er jetzt mit dem Oberkörper eintauchte.
Sein Schreien wurde dumpfer.
Natürlich hielt ich in der rechten Hand die Beretta. Ich hatte sie sofort gezogen, aber ich konnte nicht schießen, wenn ich den Jungen nicht gefährden wollte.
Ich mußte ihn den Ghouls lassen.
Einen Atemzug später waren sie verschwunden. Zurück blieb die viereckige Öffnung, die mich an den Einstieg in die Unterwelt erinnerte.
Fest stand, daß ich versuchen mußte, den Jungen zu retten. Doch welche Möglichkeiten hatte ich?
Ich schaute nach unten und schätzte die Entfernung ab.
Vielleicht sechs Yards?
Keine gewaltige Entfernung, aber der Boden war hart, nicht nachgiebig. Wenn ich aufkam, würde ich den Aufprall bis in den letzten Knochen spüren.
Und doch gab es keine andere Alternative. Einen bequemeren Weg zu suchen, dafür hatte ich keine Zeit. Ich lief nur ein paar Schritte zur Seite und stellte mich dorthin, wo ich unten eine freie Fläche fand, die nicht von irgendwelchen Schuttresten überladen war.
Beretta und Taschenlampe steckte ich weg. Noch einmal tief durchatmen, Absprung.
Ich fiel.
Meinen Körper zog ich zusammen, und schon erfolgte der Aufprall er war wirklich hart. Es schmerzte im Kopf. Ich warf mich nach vorn, vollführte eine Rolle und kam tatsächlich wieder gut auf die Beine.
Zwei Sekunden später stand ich an der Öffnung und leuchtete hinein.
Keine Spur von den beiden Ghouls und ihrem Opfer. Aber ich roch sie. Dieser penetrante Gestank wies mir den Weg, den ich gehen mußte…
***
Will Mallmann hütete sich, eine falsche Bewegung zu machen. Die Stimme der Frau hatte so kalt geklungen, daß Will ihr durchaus die Drohung abnahm.
Äußerlich blieb er gelassen, doch innerlich ärgerte er sich, den beiden Weibsleuten auf den Leim gegangen zu sein. Die Rothaarige vor ihm grinste frech. Sie griff jetzt unter ihre Jacke und holte einen schweren Revolver hervor. Mit der Mündung zeigte sie auf Wills Brust.
Der Kommissar fragte sich, was zwei bewaffnete Frauen um diese Zeit und in dieser Gegend suchten. Sollten sie ebenfalls hinter einem Ghoul hersein?
Daran wollte Mallmann nicht glauben.
Sekunden vergingen. Der Kommissar hörte hinter sich die raschelnden Geräusche, als die Frau durch das hohe Gras schritt.
Dann klang der Befehl auf.
»Dreh dich um!«
Mallmann gehorchte. Obwohl er vor Neugierde nahezu platzte, hütete er sich, eine allzu schnelle Bewegung zu machen, die die Frau falsch hätte verstehen können.
Will Mallmann wandte sich praktisch auf den Absätzen um.
Dann
Weitere Kostenlose Bücher