0154 - Der Schädelberg
Gesicht wehte. Es schreckte ihn nicht. Er schob die Tür weiter auf. An eine tödliche Gefahr dachte er nicht.
Je weiter er die Tür aufschob, desto stärker wurde der Sog.
Und auf einmal verwandelte er sich in einen brüllenden Orkan, der den Portier von den Beinen nach vorn riß. Da gab es kein Halten mehr. Verzweifelt wollte er sich an der Türklinke festhalten. Er wurde fortgerissen, wirbelte in das eiskalte, saugende Nichts. Die Tür fiel scheppernd ins Schloß. Das letzte natürliche Geräusch. Brausen und Dröhnen entstanden um ihn herum. Weiße Totenschädel tauchten vor ihm auf, rasten vorbei.
Der Portier ruderte mit Armen und Beinen. Es gab keinen Widerstand. Die Augen drohten aus den Höhlen zu quellen. Er schnappte über vor Angst, öffnete den Mund zu einem gellenden Schrei.
Kein Laut entrang sich seiner Kehle. Da waren nur das Dröhnen und Brausen.
Und dann ein harter Aufprall, der ihm für Sekunden das Bewußtsein raubte.
Verwirrt tastete er umher. Er lag am Boden. Ein richtiger, gewöhnlicher Boden, den man fühlen konnte. Und die Beule an seinem Schädel bewies, daß er mit der zweiten inneren Tür kollidiert war.
»Höllenspuk!« murmelte er vor sich hin. Ja, es war die einzige Erklärung für das, was er erlebt hatte. Wie lange hatte es eigentlich gedauert? Im nachhinein kam es ihm wie eine Ewigkeit vor.
Er hielt erschrocken die Hand vor den Mund. Professor Zamorra! Wenn der ihn jetzt gehört hatte! Das hagelte unangenehme Fragen. Zamorra war ein nobler Gast und das Palasthotel neu und auf der Suche nach Gästen. Wenn sich herumsprach, daß ein Portier nächtliche Besuche abstattete und sich dabei seltsam benahm, war es mit dem guten Ruf schnell vorbei.
Und mit meinem Job auch! dachte er zerknirscht. Besser, wenn ich mich wieder zurückziehe. Noch ist Zeit dazu.
Auf leisen Sohlen schlich er zur Gangtür. Professor Zamorra hatte bisher noch kein Lebenszeichen von sich gegeben. Dem Portier war es recht.
Er streckte die Hand aus, berührte die Türklinke.
Dunkel war es in der engen Garderobe, aber der Portier kannte sich aus. Er bewegte sich, als würde die Deckenlampe brennen.
Ein greller Blitz zuckte auf, nahm seinen Anfang an der Berührungsstelle, raste durch den Arm des Mannes, warf den Unglücklichen zurück.
Zum zweiten Mal krachte er gegen die innere Tür. Stöhnend sank er zu Boden. Diesmal war es ihm egal, ob ihn jemand hörte. Es tat verteufelt weh. Sein Inneres war die reinste Hölle.
Tränen verschleierten seinen Blick.
Die Türklinke steht unter Strom! dachte er verbittert. Dieser Zamorra ist ein Wahnsinniger. Er hat Fallen eingerichtet. Das ist verboten!
Solche Gedanken sind sehr bequem, wenn man sein eigenes Tun ins Recht setzen will. Auf jeden Fall gaben sie dem Mann neuen Auftrieb.
Die Schmerzen klangen ab.
Ein Wunder, daß ich überhaupt noch lebe!
Er suchte nach dem Lichtschalter.
Dabei war er darauf gefaßt, abermals ein Fiasko zu erleben.
Er knipste das Licht an. Das heißt, er wollte es, aber der Strom schien ausgefallen zu sein. Oder hatte jemand die Birne herausgeschraubt?
Das gab den Ausschlag.
Der Portier sah nicht mehr ein, daß er länger Rücksicht üben sollte gegenüber diesem Professor Zamorra. Nobelgast hin, Nobelgast her. Der Mann schien hochgradig gefährlich.
Der Portier stieß die Innentür auf und stürmte ins Zimmer wie ein Rachegeist.
Er kam nicht dazu, seine Absichten in die Tat umzusetzen. Zwei Gründe gab es dafür: Erstens war Professor Zamorra nicht da. Zweitens sah er endlich, was hier los war: Die Schatten von Gerippen krochen über die Möbel, über die Wände, über Decke und Boden.
Seine erste Reaktion war Flucht. Er rannte zur Tür, wollte dieser Hölle entrinnen.
Doch dieser Weg war ihm versperrt.
Der Portier kehrte zurück. Um die Nase nahm die Haut das Grün von frischem Gras an. Zwar merkte er, daß ihm die Schatten nichts taten — sie schienen ihm im Gegenteil sogar auszuweichen —, aber die Angst blieb.
Das Fenster! durchfuhr es ihn. Ja, das war eine Möglichkeit. Er rannte hinüber. Wenn er durch die Tür nicht mehr hinaus konnte, dann vielleicht durch das Fenster.
Er wollte nach dem Öffner greifen. Es blieb bei der Absicht.
Die Deckenbeleuchtung funktionierte nicht. Dennoch war der Raum hell erleuchtet. Dieses Licht hatte hier seinen Ursprung. Der Portier blickte direkt hinein. Nebelhafte Gebilde jagten von außen über die Fensterscheibe. Der Portier trat näher, um besser zu sehen.
Schlagartig wurde das
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