0155 - Die Teufelsuhr
Berger wollte rufen, doch irgendein Zwang hielt sie davor zurück. Statt dessen näherte sie sich der offenstehenden Zimmertür, um den Raum zu verlassen. Sie wollte hinaus in den breiten Korridor, der die Halle im Quadrat umlief. Nadine Berger spitzte die Ohren. Wieder die Kinderstimmen.
Es mußten sicherlich zwei oder drei sein, die miteinander sprachen. Allerdings konnte Nadine nicht unterscheiden, ob es Jungenoder Mädchenstimmen waren. Sie klangen zu gleich.
Vor der breiten Brüstung blieb sie stehen, legte ihre Hände auf den lackierten Handlauf und schaute in die Tiefe. Von den Kindern sah sie nichts. Aber sie hatte doch ihre Stimmen gehört! Nadines Herz klopfte schneller. Sie raffte ihren Mut zusammen und rief: »Hallo, da unten, ist da jemand?« Keine Antwort.
Die Filmschauspielerin rief noch einmal, und in der Halle blieb es immer noch still Nadines Blick flackerte. Was sollte sie tun? Daß sich dort jemand befand, das hatte sie sehr deutlich gehört, aber warum meldete sich dann keiner?
Wenn doch nur ihr Freund da gewesen wäre! Don Mitchell hätte bestimmt eine Antwort gewußt. Aber der war unterwegs und würde erst später eintreffen.
Das Haus verlassen konnte sie zwar, aber sie wollte nicht durch die Dunkelheit und sich irgendwo in Miltonburry verkriechen. Was hätte sie den Dorfbewohnern auch erzählen sollen? Man hätte sie ausgelacht, den Bericht für eine Farce gehalten, für die Wichtigtuerei einer überkandidelten Schauspielerin. So ähnlich dachte sie. Aber hier oben wollte sie auch nicht bleiben, überwand sich selbst und schritt auf die breite Treppe zu, die im Bogen nach unten führte.
Das Licht brannte zwar, aber diese Dinge gefielen ihr nicht. Nadines Meinung nach war es nicht hell genug. Die großen Leuchter an der Decke brannten einfach zu matt. Nadine biß sich auf die Lippen. Nur keine Panik, schärfte sie sich ein, du hast schon einiges erlebt und wirst dich doch durch Kinderstimmen nicht bangemachen lassen. Schritt für Schritt ging sie die Stufen hinunter. Der dunkelrote Teppich schluckte jedes Geräusch, so daß ihre Ankunft gar nicht bemerkt werden würde.
Nadine Berger zwang sich zur Ruhe. Die Atmosphäre des Hauses sollte nicht auf sie abfärben.
Als sie die Hälfte der Treppe hinter sich gelassen hatte, zuckte sie wieder zusammen. Abermals hörte sie die Stimmen. Jemand lachte.
Aber es war ein rauhes Lachen, das so gar nicht zu einem Kind passen wollte.
Irgendwie klang es wild, abgehackt und gefährlich. Nadines Furcht wuchs…
Aber sie ging weiter. Stufe für Stufe ließ sie hinter sich und atmete auf, als sie in der Halle stand. Ihre Blicke saugten sich an der schweren Eingangstür fest. Sie war geschlossen.
Hatten die Kinder diesen Weg genommen, oder waren sie auf einem anderen in das Haus gelangt? Vielleicht durchs Fenster eingestiegen. Sie rechnete mit allem.
Mehrere Türen zweigten ab. In der Mitte der Halle lag ein großer Teppich. Ein Flügel stand hier, an den Wänden hingen große Ölschinken, ein wuchtiger Lüster, der mit Glasplättchen übersät war, zog unwillkürlich die Aufmerksamkeit der Eintretenden auf sich.
Unter dem Lüster blieb die Frau stehen. Irgendwie paßte sie nicht so recht in dieses Gemäuer. Nadine trug ein elegantes, weinrotes Kostüm, dessen Rock ziemlich eng geschnitten und geschlitzt war.
Das Kostüm unterstrich deutlich ihre biegsame Figur. Da der Rock nicht zu lang war, kamen auch die fantastisch gewachsenen Beine zur Geltung. Das dunkle Haar fiel als Ringellockenfrisur bis fast auf die Schultern und umrahmte das aparte Gesicht der bekannten Filmschauspielerin. Wieder hörte Nadine die Stimmen.
Sie zuckte herum.
Genau gegenüber waren sie aufgeklungen, wo die Tür des Zimmers spaltbreit offenstand. Da mußten sie sein.
Nadine fröstelte, als ihr dies bewußt wurde, und sie schreckte auf, als sie plötzlich das Geräusch hörte. Direkt über ihr.
Der Kronleuchter begann zu schwanken. Nadine warf einen Blick nach oben, sah, daß sich die kleinen Glaspailletten bewegten und gegeneinanderklirrten.
Sie verursachten diese seltsame Musik, die Nadine eine Gänsehaut über den Rücken jagte. Jeden Moment konnte der Leuchter fallen, und Nadine sah zu, daß sie wegkam. Hastig lief sie auf die Tür zu, hinter der die Stimmen aufgeklungen waren.
Vor dem Raum blieb sie stehen. Im selben Augenblick hörte das Klirren auf. Nadine fiel ein Stein vom Herzen, sie zuckte jedoch zusammen, als sie abermals die Stimme vernahm. Und nun konnte
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