0155 - Die Teufelsuhr
handschriftlich und auf Büttenpapier geschriebene Einladung in die Hände.
***
Lieber John!
Ich hoffe, daß Du mir nicht böse bist, weil ich so lange nichts mehr von mir habe hören lassen. Aber du weißt ja selbst, wie hektisch das Filmgeschäft ist. Da kommt das Privatleben halt zu kurz.
Ich werde am nächsten Wochenende dreißig Jahre alt und habe vor, diesen Geburtstag mit Freunden groß zu feiern. Gleichzeitig will ich mich an diesem Tag verloben.
Mein Auserwählter, er ist Antiquitätenhändler, besitzt ein altes Haus an der Küste von Wales. Hier wollen wir meinen Geburtstag und unsere Verlobung feiern. Du, John, bist herzlich eingeladen, und ich habe sehr, daß du kommst. Alles weitere mündlich.
Deine Nadine
Es folgte noch eine Telefonnummer, unter der Nadine Berger zu erreichen war.
Ich überlegte. Die Einladung war ziemlich plötzlich gekommen, denn heute hatten wir schon Mittwoch. Allerdings hatte ich nichts am Wochenende vor, und ich hatte Nadine zudem lange nicht mehr gesehen. Ich freute mich wirklich, sie wiederzusehen.
Verloben wollte sie sich. Ich lächelte müde und auch etwas verloren. Wieder überkamen mich die Erinnerungen an unsere beiden gemeinsam erlebten Fälle. Ich sah sie noch genau vor mir. Mal blond, dann wieder schwarz. Nadine wechselte die Haarfarbe, das war ein kleiner Tick von ihr. Seit der Begegnung mit dem unheimlichen Mönch hatte sie sich geschworen, nie wieder Gruselfilme zu drehen.
Das schien sie auch durchgehalten zu haben, denn ich hatte nichts anderes mehr gehört. Auf jeden Fall war ich gespannt, sie wiederzusehen.
Der Telefonnummer nach zu urteilen, mußte sie sich bereits in Wales aufhalten.
Das Gespräch würde teuer werden, aber Nadine war mir dies wert. Ich rief an.
Ein Hotelportier meldete sich. Ich sagte meinen Namen und bat, Miss Berger sprechen zu dürfen. Man verband mich weiter.
Dann hörte ich ihre Stimme. »John!« rief sie. »Bist du es wirklich? Oder hat der Knabe von der Rezeption den Namen falsch verstanden?« Ihre Stimme klang freudig erregt.
»Ich bin es in der Tat, du großer Star«, sagte ich und hörte ein silberhelles Lachen.
»Dann hast du meine Einladung erhalten?«
»Soeben.«
»Und?«
Ich ließ sie bewußt ein wenig zappeln und gab erst mal keine Antwort.
»John, bitte sag schon«, drängte sie. »Ich sterbe hier fast vor Spannung.«
»Am Wochenende habe ich nichts vor. Und ich hoffe auch nicht, daß etwas dazwischen kommt.«
Sie unterbrach mich. »Dann kommst du, John?«
»Wie es aussieht – ja.« Ein Jubelschrei war die Antwort.
»Und du verlobst dich?«
»Ja, John.«
»Wer ist denn der Glückliche?«
»Es ist ein bekannter Antiquitätenhändler aus London und heißt Don Mitchell.«
»Kenne ich nicht.«
»Du interessierst dich ja auch nicht für alte Möbel.«
»Nun ja, Hauptsache, ihr versteht euch gut«, sagte ich und spürte ein leichtes Kratzen im Hals. »Ja, das tun wir.«
»Hörst du dann mit der Filmerei auf?« wollte ich wissen.
»Nein. Don hat nichts dagegen.«
»So ganz begeistert klingt deine Stimme nicht«, sagte ich. »Hast du irgend etwas?«
»Wieso?«
»Ich frage nur.«
Eine Pause entstand. »Vielleicht, John. Ich bin mir nicht so sicher. Es könnte sein.«
»Sag es, Nadine.«
»Unsinn, John. Aber wir reden darüber, das kann ich dir versprechen. Sieh zu, daß du früh bei mir bist, dann haben wir noch für uns ein wenig Zeit.«
»Okay, ich fahre in der Nacht los. Du mußt mir nur noch die genaue Adresse sagen.«
Den Ort kannte ich nicht. Eines der zahlreichen Dörfer, die es überall in Wales gab. Einsam, an der Küste liegend und noch ursprünglich.
»Das Haus ist auf jeden Fall nicht zu übersehen. Es liegt ziemlich nahe an den Klippen. Richtig romantisch.«
»Ich bin gespannt«, sagte ich.
Das war ich wirklich. Und ich dachte auch noch lange über das Gespräch nach.
Sehr glücklich hatte Nadines Stimme nicht geklungen. Irgend etwas lag in der Luft, und ich beschloß, zu der Verlobungsfeier nicht unbewaffnet zu fahren…
***
Nadine Berger fürchtete sich!
Nicht vor irgendwelchen Feinden oder Einbrechern, ihre Furcht hatte einen anderen Grund. Es war das Haus!
Trutzig, gewaltig, wuchtig – und düster stand es hoch auf den Klippen. Vom Wind umtost, mit dicken Mauern und den dunklen Steinen machte es einen unheimlichen Eindruck. Vor allen Dingen bei Vollmond und Sturm. Wenn die riesigen Wolkenberge am Himmel trieben, wurden das Haus und die unmittelbare Umgebung zu einer
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