0155 - Die Teufelsuhr
sie etwas verstehen.
»Wir kommen wieder – der Teufel läßt uns – wir müssen in das Haus – es gehört uns…«
Nadine Berger begann zu zittern. Wer redete so, und warum redeten die Kinder so?
Eine seltsame Sprache hatten sie. Eine Sprache, die Nadine überhaupt nicht begriff.
Die Filmschauspielerin unterdrückte für einen Moment die Angst, faßte sich ein Herz und stieß die Tür auf. Sie hatte erwartet, auf mehrere Kinder zu treffen, doch der Raum war leer.
Das heißt, es hielten sich keine Personen darin auf. Aber woher kamen die Stimmen?
Nadine Berger blickte sich um. Sie sah an der einen Wand den großen Schrank, dessen wertvolle Intarsienarbeit auch ihr gefiel, sie sah die beiden Stühle mit den gebogenen Lehnen, und sie sah noch mehr. Die Standuhr! Ein prächtiges Stück, das seinen Platz an einer Wandseite hatte und auf das ihr zukünftiger Verlobter besonders stolz war.
Die Uhr übte auf sie eine gewisse Faszination aus, das mußte sogar Nadine Berger zugeben.
Ohne es eigentlich zu wollen, schritt sie auf die Standuhr zu.
Diese Uhr war ziemlich breit. Breiter als die normalen Uhren, und in der unteren Hälfte lief sie auseinander, so daß der Sockel wuchtiger war als das Oberteil. Man konnte ihn auch aufschließen.
Nadine sah die Tür und den im Schloß steckenden Schlüssel. Ihre Hand war schon unterwegs, doch dann zuckte sie wieder zurück.
Nein, sie traute sich nicht, die Tür zu öffnen.
Ihr Blick wanderte höher und blieb auf dem ziemlich großen Zifferblatt haften.
Die römischen Ziffern waren auf die runde, leicht bläulich schimmernde Unterlage genietet, und sie sah auch die beiden Zeiger, von denen sich der größere langsam bewegte.
Die Standuhr ging genau, obwohl sie schon so alt war. Ein Meister seines Fachs mußte sie angefertigt haben.
Der Anblick dieser Uhr weckte seltsame Gefühle in ihr. Dieses wirklich fantastische Schmuckstück stieß sie ab und zog sie gleichzeitig an.
Sie wußte nicht weshalb, aber sie hatte das Gefühl, daß von der Uhr eine Bedrohung ausging.
Die Filmschauspielerin fröstelte. Sie stand davor, wagte sich nicht zu rühren und hatte die Kinder völlig vergessen, so sehr war sie in den Anblick vertieft.
Nadine nagte auf der Lippe. Ein Schauer rieselte über ihren Rücken. Sie konnte nicht sagen, woher dieses Gefühl der Bedrohung kam, es war einfach da.
Vielleicht ging ihr auch der Schlag der Uhr auf die Nerven.
Gleichmäßig bewegte sich das Pendel.
Tack – tack – tack…
Und der Minutenzeiger wanderte weiter. Drei Minuten vor zweiundzwanzig Uhr. Nadine dachte an ihren Freund, der noch nicht da war und um den sie sich Sorgen machte.
Warum kam er nicht…?
Ihre Gedanken wurden abgelenkt. Denn abermals zog sie das Zifferblatt in seinen Bann.
Das bläuliche Schimmern war doch nicht normal, denn sie hatte das Gefühl, als würde sich innerhalb des Zifferblattes etwas bewegen.
Nadine schluckte.
Da war doch etwas…
Im selben Augenblick schlug die Uhr an.
Zehnmal!
Nadine Berger erschrak. Zehn dumpfe Glockenschläge hallten durch das Zimmer, und jeden einzelnen Schlag schien sie körperlich zu spüren, er drang ihr durch und durch.
Der letzte Schlag…
Da geschah es.
Urplötzlich veränderte sich das Zifferblatt. Aus dem Innern schälte sich eine gräßliche Fratze hervor.
Die Fratze des Teufels!
***
Es war wärmer geworden. Der letzte Schnee taute auf den Bergen, dafür aber fiel der Regen vom Himmel, als würde er dort aus Kannen gegossen.
Don Mitchell fluchte. Er hatte vorgehabt, schon längst zu Hause zu sein, aber der Weinhändler hatte ihn aufgehalten und ihn noch in seinen Keller geführt, wo es einige erlesene Kostbarkeiten zu probieren gab.
Don hatte sie probiert. Eigentlich schon zuviel, er hätte nicht mehr fahren dürfen, aber wie sollte er sonst an sein Ziel gelangen?
Außerdem gab es hier keine Polizei, die kontrollierte. Man befand sich ja nicht in der Großstadt.
Mitchell lenkte seinen knallroten Jaguar dennoch sicher über die Straßen. Er schien der einzige Autofahrer hier in der Gegend zu sein, denn niemand kam ihm entgegen.
Die starken Halogenleuchten warfen ihr breites, helles Band auf die Fahrbahn. Unzählige Regentropfen glitzerten wie Diamanten auf, wenn sie von den Lichtspeeren getroffen wurden.
Don Mitchell war froh, wenn er endlich im Bett lag. Die letzten Tage waren aufregend gewesen, und der folgende würde noch aufregender werden.
Er dachte an seine Fast-Verlobte. Vor einem halben Jahr hatten
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