0155 - Die Teufelsuhr
den Schweiß von der Stirn.
Tief unter mir lag das Meer. Eine dunkle, wogende Oberfläche, die erst an den hervorspringenden Felsen gebrochen und aufgeschäumt wurde, so daß das Wasser in langen Fontänen hochspritzte und an der Wand wieder herablief. Ein feiner Regen aus Staub und kleineren Steinen wischte vor mir in die Tiefe. Für mich ein Zeichen, daß sich der Zombie dicht am Rand aufhielt. Was würde er tun?
Ich rührte mich nicht, wagte nicht zu atmen und hörte ein wildes Knurren.
Dann die rauhe Stimme und die abgehackt klingenden Worte, die mich hart trafen.
»Ich weiß, daß du nicht gefallen bist. Aber ich werde dich holen, Mensch!«
Das war ein Versprechen.
Nun ja, sollte er kommen. Meinen Optimismus hatte ich nicht verloren. Vielleicht deshalb nicht, weil ich soeben nur mit knapper Not einem fürchterlichen Tod entgangen war. Ich lauerte.
Und der Untote kam. Wieder rutschte Gestein an mir vorbei, diesmal etwas mehr. Holloway würde Schwierigkeiten haben, wenn er die Wand herunterkletterte. Ich hörte das Scharren und Rutschen, vernahm einen Fluch, aber der Kindermörder dachte nicht an Aufgabe. Er kletterte weiter.
Ich rückte etwas vor.
Und nun bewahrheitete sich die These, daß Zombies nicht denken können. Ein normaler Mensch in seiner Lage wäre nie so nach unten geklettert wie der Untote. Er hangelte sich einfach weiter, und ich sah plötzlich seine Füße. Wenn das keine Chance war.
Um eine Winzigkeit rutschte ich weiter vor und streckte langsam die Arme aus. Es mußte einfach klappen. Dann griff ich zu.
Meine Hände glichen plötzlich Schraubstöcken, als sie die Gelenke des Zombies umklammerten. Ein wilder Ruck, dem ein Fluch des untoten Mörders folgte, und ich ließ los.
Holloway hatte es nicht geschafft, sich an der glatten Felswand festzukrallen. Trotz seiner gewaltigen Kräfte war ihm dies nicht gelungen. Er hatte den physikalischen Gesetzen nachgeben müssen und wirbelte an mir vorbei in die Tiefe. Ich warf mich hastig zurück, denn fast hätte mich der Körper noch gestreift und mitgerissen, so aber rauschte er in die Tiefe. Als ich ihm nachsah, erkannte ich trotz der herrschenden Dunkelheit den Körper mit den ausgebreiteten Armen und Beinen. Er flog wie ein Fallschirmspringer ohne Schirm.
Der Aufschlag ging im Tosen der Brandung unter. Ein normaler Mensch wäre tot gewesen, nicht dieser Zombie. Er würde überleben – und wiederkommen. Damit mußte ich rechnen. Aber erst einmal mußte ich zusehen, wieder von dieser Felsnase, die mir das Leben gerettet hatte, wegzukommen. Was vorhin gut gewesen war, erwies sich nun als Hindernis. Es würde wirklich nicht einfach sein, an der glatten Wand hochzuklettern. Ich streckte meine Arme in die Höhe, tastete über den Fels und suchte nach irgendwelchen Einkerbungen im Gestein, wo ich einigermaßen Halt finden konnte. Links von mir – ich mußte mich schon weit strecken – existierte ein schmaler Spalt.
Nicht breiter als eine Kinderhand. Dort faßte ich zu, fand da den Haltepunkt und suchte mit meiner rechten Hand nach weiteren Stützen. Die gab es auch. Ich will nicht lange meine Kletterei beschreiben, auf jeden Fall kam ich oben an. Wie, das wußte ich selbst nicht. Ich lag hinterher zerschunden und völlig erschöpft auf dem Bauch und rang verzweifelt nach Atem.
Meine Lungen schienen zugestopft zu sein, und es dauerte wirklich Minuten, bis ich mich wieder auf die Beine quälen konnte.
Trotzdem torkelte ich noch wie ein Betrunkener, aber mein Gehirn arbeitete klar und präzise. Noch hatte ich keinen Gegner erledigt.
Weder die drei Teufelskinder noch den Zombie, der sicherlich zurückkommen würde.
Ich dachte auch an die Menschen, die sich in großer Gefahr befanden. Hatten sie es überstanden, oder waren ihnen die teuflischen Geschöpfe zuvorgekommen?
Ich wollte schon losrennen, als mir einfiel, daß ich unbewaffnet war. Die beiden dicht nebeneinanderstehenden Steine waren schnell zu finden.
Und ich hatte auch sehr bald mein Kreuz wieder. Fehlte die Beretta. Wo konnte die Pistole nur gelandet sein? Ich vergegenwärtigte mir noch einmal die gefährliche Situation und rechnete nach. Anschließend ging ich in die Richtung, in der ich die Waffe vermutete.
Fast wäre ich darüber gestolpert.
Als ich die Beretta in meiner Hand spürte, fühlte ich mich wohler.
Und nun hielt mich nichts mehr…
Nadine Berger zuckte zurück. Obwohl sie nichts sagte, wußte der Bürgermeister sofort, wer dort vor dem Fenster stand. Er schaute
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