0156 - Perlen, Gangster, Menschenhaie
Aufregung heiserer Stimme. »Aber es ist uns zu gefährlich, dich jetzt allein mit den ganzen Perlen an Bord gehen zu lassen. Entweder du bleibst auch hier, oder wir holen die Perlen erst einmal wieder von Bord und lassen auch die aus dem Tempel noch heute Nacht hier. Die Versuchung könnte für dich zu groß sein, mit den Perlen, aber ohne uns auszulaufen - trotz der Nacht.«
Royson war ein kluger Taktiker. Er spürte sofort, wenn er keine Aussichten hatte, eine Situation zu seinen Gunsten zu beeinflussen.
»Ihr Narren«, lachte er gekünstelt. »Glaubt ihr denn im Ernst, ich würde euch durchbrennen? Na, meinetwegen. Dann bleiben wir eben alle hier bis morgen früh. Nur schade, dass wir die Matratzen schon zerfetzt haben.«
Sie richteten sich so gut ein, wie es ging. Ich sah meine letzte Hoffnung davonschwimmen. Stewett allein hätten wir in der Nacht vielleicht dazu überreden können, uns freizulassen. Wenn sie alle zurückblieben, war diese Chance gleich null.
***
Wir warteten, bis wir sicher waren, dass sie alle schliefen. Dann schob ich mich leise näher zu Phil hin. Es war nicht einfach, denn sie hatten die Lampe ausgelöscht, sodass man die Hand nicht vor den Augen sehen konnte.
Als ich ihn erreicht hatte, drehte ich mich langsam so, dass meine Hände seinen Rücken berührten. Mit den Fingerspitzen tastete ich ihn ab, bis ich seine Fesseln gefunden hatte.
Ich weiß nicht, wie lange ich mich abmühte. Mindestens zwei Stunden - bestimmt. Aber die Riemen gaben nicht nach. Vielleicht hatten sie Seemannsknoten oder sonst etwas besonders Raffiniertes gemacht, dass ich sie nicht aufbekam.
Mir taten sämtliche Finger weh, als ich es aufgeben musste.
»Sinnlos«, raunte ich. »Es ist nicht zu schaffen.«
»Lasst mich mal versuchen!«, zischte Johnny leise.
Wieder ging das Herumrutschen los. Dabei musste man sich alle Mühe geben, dass man kein Geräusch verursachte. Von nebenan tönte das Atmen der Schläfer.
Aber auch Johnny schaffte es nicht. Es ging schon auf den Morgen zu, als auch er es erschöpft aufgab.
Eine halbe Stunde später standen sie auf. Stewett war der Erste, der hinausging, um sich zu waschen.
Danach kam Royson.
»Na, gefällt es euch hier?«, höhnte er. »Es wird euch gleich noch besser gefallen!«
Wir sagten nichts.
Sie wuschen sich draußen. Dann endlich war es so weit.
Royson ließ das trockne Gras wieder verteilen, das sie sich in der Nacht für ihr Lager wieder zusammengesucht hatten. Er nahm drei der Petroleumlampen und kippte das Petroleum aus.
»Die nehmen wir mit an Bord«, sagte er und gab sie den anderen.
Sie gingen hinaus. Royson ließ noch eine Flut von Verhöhnungen über uns herabrauschen, die wir mit keiner Silbe erwiderten. Dann zündete er ein Streichholz an und steckte den Docht der Petroleumlampe an. Rückwärts entfernte er sich von der offenstehenden Blockhaustür.
Auf einmal rief draußen einer: »Wo ist denn Stewett?«
Sie riefen nach ihrem Kumpan, aber ich konnte nicht hören, dass er irgendwo eine Antwort gegeben hätte.
»Zum Teufel, dann soll er Zurückbleiben, dieser Idiot!«, schrie Royson.
Genau vor der Tür zerkrachte die Lampe. Das Petroleum ergoss sich halb über den rechten Türpfosten und fing sofort Feuer. Im Nu liefen die Flammen weiter zu den beiden Seegrashaufen rechts und links an der Wand, unterhalb der Schießscharten.
Draußen schwoll das Hohngelächter der Kerle auf.
»Wir müssen die Füße ins Feuer halten«, sagte ich. »Bis die Riemen so angekohlt sind, dass wir sie zerreißen können! Dann kommen wir wenigstens aus diesem Bau heraus!«
»Okay«, erwiderte Johnny. »Aber wir wollen noch warten, bis sie im Boot sind.«
»Können Sie die Burschen sehen?«
»Ja, sie klettern gerade ins Boot.«
»Sagen Sie uns Bescheid, wenn sie abstoßen!«
»Ja. Verdammt, ich kriege genau den Qualm ins Gesicht…«
Er fing an zu husten. Die Luft wurde stickig und reizte die Schleimhäute. Das Feuer hatte jetzt einen Teil der vorderen Wand erfasst. Am lauten Prasseln konnten wir hören, dass jetzt schon die Stämme Feuer fingen.
»Ich… ich glaube, sie rudern jetzt schon draußen auf der Bucht. Es… es sieht so komisch aus…«
Johnnys Stimme wurde oft von einem Hustenanfall unterbrochen.
»Was sieht komisch aus?«, fragte Phil.
»Es sind Wellen auf der Bucht. Das Boot tanzt ziemlich stark auf und nieder. Dabei kann ich aber keinen Wind spüren, und die Tür steht doch auf!«
»Los, wir müssen jetzt sehen, dass wir hinauskommen.
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