0159 - Der Engel, der ein Teufel war
die Sünde war das fließende, schleierartige Gewand das sie trug, und das sie fast völlig mit der Dunkelheit verschmelzen ließ. Der Nachtwind bewegte es behutsam.
Dann starrte Cyrill York in Lavinias Gesicht. Es war zu einer bleichen Fratze verzogen. Nichts war mehr von der Schönheit zu sehen, die ihn in ihren Bann gezogen und verzaubert hatte. Grausam war das Lächeln, das ihre vollen Lippen verzerrte und gefroren zu sein schien. Angeekelt und haßerfüllt sah sie auf ihn herunter.
Er war nicht mehr als ein armseliger Wurm für sie!
Und jetzt – jetzt tötete sie ihn! Sie zertrat ihn einfach. Sie strengte sich nicht einmal an dabei.
Glasklar kam ihm das zu Bewußtsein. Er riß seinen Mund auf, kein Laut quoll über die Lippen. Ein bizarrer Anblick, mehr nicht.
Er hatte verspielt. Es war aus. Gleich würde es schwarz um ihn herum werden, und dann kam der Tod.
Die Hölle!
»Das Pergament!« sagte sie ganz ruhig. »Wo hast du es versteckt?«
Ihre Worte dröhnten in seinen Ohren, vereinten sich mit dem seltsamen, verrückten Hämmern, Das – das Blut durch seinen Schädel schickte.
Ihre grausamen Blicke stachen in seine Augen, schienen direkt in sein Gehirn hineinzustoßen.
York versuchte, die Augen zu schließen. Wenn er schon abtreten mußte, dann… Er würde ihr nichts mehr sagen. Sie tötete ihn ja doch. Und wenn er redete, dann hatte sie auch noch den letzten Triumph für sich. Nein, ich – ich sage es dir nicht, verdammte Hexe! dachte er. Dann zerfaserten diese Gedanken. Schwarze Flecken pulsierten unheilvoll, zerplatzten, verspritzten eine grellviolette Flüssigkeit. Das Hämmern und Pochen und Dröhnen in seinem Schädel steigerte sich zu einem Inferno schriller und dumpfer Töne.
»Sag es mir! Wo hast du das Pergament?«
Cyrill York keuchte, würgte, röchelte, versuchte, das Ende so lange wie nur möglich hinauszuschieben. Er wollte nicht sterben!
Er wollte leben! Leben!
»Sag es mir!«
Sein Widerstand bröckelte ab.
Lavinia war zu stark! Viel zu stark!
Er krächzte etwas, seine Hände waren halb erhoben, als könne er so den fürchterlichen Einfluß bannen.
Lavinia lächelte plötzlich noch breiter. An ihrem Kinn zuckte ein Muskel. Die Fratze entspannte sich. Im gleichen Augenblick lockerte sich auch der Würgegriff.
Cyrill York brach zusammen. Vornüber fiel er in den Dreck. Sein Gesicht schlug in den matschigen Lehm, krampfhaft rang er nach Luft. Seine Füße scharrten hin und her.
Lavinia bewegte sich nicht. Stumm und abwartend stand sie vor ihm. Stärker wurde der Nachtwind. In der Ferne war dumpfes Donnergrollen zu hören. Ein fahles Leuchten geisterte über den finsteren Himmel; schwere, massige Gewitterwolken schwebten dicht über dem Boden.
»Ich rede, Lavinia!« stammelte Cyrill York schluchzend. Mühsam wälzte er sich herum und starrte zu ihr hinauf. »Ich rede, und dann kannst du mit mir machen, was du willst.«
Lavinia fixierte ihn.
»Das Pergament ist in meiner Wohnung. Ich habe es gut versteckt. Du wirst dir etwas einfallen lassen müssen, um dranzukommen. Es –« Ein trockenes, zynisches Lachen schüttelte ihn.
»Es ist in einem Safe, der mit Weihwasser gefüllt ist. Davor hängt ein geweihtes Kruzifix.«
»Du – du Hund!«
Lavinias dunkle Augen loderten teuflisch auf. Ihre schlanken, feingliedrigen Hände kamen hoch.
Cyrill York begriff, daß es jetzt endgültig ans Sterben ging. Er hatte einen letzten Bluff versucht, hatte ein letztes Mal Zeit herausschinden wollen. Es war schiefgegangen. Lavinia ließ ihn nicht am Leben, damit er ihr das Pergament aus dem gesicherten Safe holte!
»Nein!« schrie er, obwohl er sich vor ein paar Sekunden vorgenommen hatte, nicht mehr zu winseln.
Ihre Hände beschrieben irrwitzige, geschmeidige Bewegungen.
Bläuliche Funken stoben aus den Fingerspitzen, sprühten durch die Nacht und wurden zu einem nebelhaften Wesen…
Zu einer Schlange! Böse funkelten die Reptilienaugen auf!
»Stirb, Verräter!« spie ihm Lavinia entgegen.
Die Geister-Schlange zuckte vor. Der häßliche, geschuppte Dreiecksschädel glitt auf den Mann zu, der wie erstarrt auf dem Boden kauerte…
***
»Lieber Gott!« hauchte sie erstickt.
»Bist du verrückt? Sei still!« Benny Lawner preßte ihr seine große Hand auf den Mund und riß sie zu sich her. Ihre langen, zerbrechlich wirkenden Finger krallten sich schmerzhaft in seinen Arm, er aber ließ nicht los.
»Wenn sie uns bemerkt, dann –« Er sprach nicht weiter.
Jennys schmaler Körper wand
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