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0159 - Der Engel, der ein Teufel war

0159 - Der Engel, der ein Teufel war

Titel: 0159 - Der Engel, der ein Teufel war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Eisele
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war gebrochen. Benny Lawner atmete tief durch, dann wischte er sich mit der Rechten über das schweißverklebte Gesicht.
    Sie hat ihn umgebracht! Sie hat ihn wirklich umgebracht! hämmerten seine Gedanken immer wieder.
    Seine Zähne klapperten aufeinander. Jenny machte sich aus seinem Griff frei. Ihre schmale Hand war feucht; sie legte sie ihm auf den Handrücken. »Benny…«
    Er öffnete seine Augen wieder, sah sie an, als ob er sie zum ersten Mal sehen würde.
    »Nicht hinschauen«, sagte er dann müde.
    Sie tat es trotzdem.
    »Ich wußte es.« Ihre Stimme war tonlos.
    Benny wandte ebenfalls seinen Kopf und sah hin. Die Frau in Schwarz war verschwunden. Nur der Leichnam lag noch da.
    »Wie – wie hat sie es getan?«
    »Das werde ich dir bestimmt nicht sagen.«
    »Wir müssen die Polizei verständigen!«
    »Und was sollen wir den Bullen sagen?« fuhr er sie an. »Daß wir eine – eine Hexe oder was weiß ich dabei beobachtet haben, wie sie einen Mann mit ihrer Zauberei umgebracht hat?«
    »Sie müssen uns glauben!«
    »Du hast noch Flausen im Kopf!« Er schüttelte den Kopf und sah sie liebevoll an. »Armes, kleines, unschuldiges Mädchen!«
    »Ich bin nicht arm, und auch nicht klein.«
    Die Erwiderung lag ihm schon auf der Zunge, aber er sprach sie nicht aus. Dort drüben war ein Mann umgebracht worden. Auf bestialische Weise umgebracht worden. Und sie beide waren Zeuge dieses Verbrechens. Da konnte er keine Witzchen mehr reißen.
    Hart schluckte er. Der große Adamsapfel an seinem Hals hüpfte aufgeregt.
    Benny Lawner war ein großer, hagerer Bursche, sein Gesicht war von unzähligen Sommersprossen übersät, was ihm ein gewitztes Aussehen verlieh. Jetzt aber war sein Gesicht käsig bleich und wie aus Stein gemeißelt. Dies hätte die Nacht der Nächte für ihn und Jenny werden sollen. Endlich einmal mit ihr allein. Es war fast ein Wunder gewesen. Sie war erst 17, und ihr Bruder paßte wie ein Luchs auf sie auf. Aber heute hatten sie ihn ausgetrickst und abgehängt.
    Und dann gerieten sie in eine derartige Schweinerei!
    Bisher hatten sie unverschämtes Glück gehabt. Die Unheimliche hatte sie nicht gesehen. Wirklich nicht? Vielleicht konnte sie sie wittern? Oder ihre Gedanken und Gefühle wahrnehmen!
    Dieser Teufelin traute er alles zu.
    Mit diesen Gedanken kehrte die Angst zurück. Ein eisiger Hauch rieselte über seinen Rücken, und kündete die ersten Auswirkungen des Schocks an.
    Nein, es war noch nicht überstanden. Noch lange nicht.
    Benny Lawner fror, aber er tat alles, damit es Jenny nicht merkte. Er wollte ihr keine Angst machen.
    Weg! Verdammt, wir sollten abhauen, so schnell wie möglich, überlegte er, und seine Gedanken wirbelten wie aufgescheuchte Hühner durcheinander.
    Aber wenn die Unheimliche noch in der Nähe war, dann…
    Nein, sie mußten sich mucksmäuschenstill verhalten und abwarten. Nur so hatten sie eine Chance.
    Jenny Moreno räusperte sich. Sie wirkte plötzlich sehr gefaßt.
    »Wir können ihn doch nicht einfach dort drüben liegen lassen«, flüsterte sie.
    Ihr hübsches Gesicht war ebenfalls geisterhaft bleich, das konnte Benny trotz des ungewissen Zwielichts sehen. Um ihre großen Rehaugen lagen dunkle Ringe. Über die Wangen liefen silbrige Spuren; sie zeichneten die Spur der Tränen nach.
    Sie beugte sich vor und wollte die Wagentür aufstoßen, Benny Lawner hielt sie zurück. »Bleib hier. Vielleicht ist sie noch in der Nähe.«
    Hastig atmete sie durch. Ihre linke Hand blieb auf dem Türgriff liegen. Die Luft im Wageninnern war stickig geworden, irgendwie zähflüssig, obwohl das Fenster an der Fahrerseite heruntergekurbelt war.
    Benny Lawner sah das Leid und die Trauer, die sich in tiefen Linien in ihrem Gesicht festfraß. Jenny war sensibel, keines von den Mädchen, die ein solches fürchterliches Erlebnis einfach wegsteckten. Es zerriß ihm schier das Herz.
    »Jenny, ich –« Er wollte sie trösten, aber er wußte im gleichen Augenblick, daß sich alles, was er jetzt von sich gab, sehr, sehr dumm anhören mußte. Deshalb war er lieber still.
    Sie warteten ab.
    Die Zeit verging.
    Benny Lawner dachte an eine Zigarette, und konnte sich kaum mehr beherrschen, sich einen Glimmstengel herauszunehmen und anzuzünden. Aber der rote Lichtpunkt hätte sie verraten können.
    Der alte, klapprige VW stand zwar ziemlich tief in dem Unterholz, das die Lichtung umgürtete, aber trotzdem. Er mußte aufpassen.
    Die Unsicherheit machte ihn nervös. Wurden sie vielleicht schon beobachtet?

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