0159 - Wir und die Konkurrenz der Mörder
Durchschriften von Quittungen, die alle von Marry Woucester unterschrieben waren. Der Text war fast immer der gleiche, nur die Beträge schwankten zwischen tausend und dreitausend Dollar. Alles in allem schien die Dame jedenfalls nicht schlecht verdient zu haben. Das Geld war ihr für Modellentwürfe gezahlt worden, wie aus einem Text der Quittungen hervorging.
»Moment mal!«, sagte ich. »Siehst du einen Zeichenblock?«
»No. Warum?«
»Merkwürdig«, brummte ich. »Keine Zeichenstifte, keine Farben, keine Pinsel, kein Zeichenblock, kein Karton - nichts, was jemand zum Zeichnen braucht.«
Phil sah mich mit gerunzelter Stirn verständnislos an.
»Was findest du daran so auffällig? Warum soll Miss Woucester denn unbedingt Zeichenutensilien herumliegen haben?«
»Ganz einfach: weil sie ihr Geld für Modellentwürfe bekam! Und Entwürfe zeichnet man doch, oder?«
Phils Gesicht erhellte sich.
»Tatsächlich! Hier stimmt etwas nicht. Moment!«
Er suchte die Durchschriften der Quittungen.
»Sie bekam ihr Geld vom Modesalon Parisienne in der Fifth Avenue«, sagte er. »Rufen wir doch mal an.«
Ich schüttelte den Kopf.
»No, wir fahren hin. Im direkten Gespräch ergibt sich immer mehr als am Telefon. Komm, brechen wir hier ab. Das meiste haben wir doch gesehen, und ich glaube kaum, dass hier noch etwas Bemerkenswertes zu finden ist.«
»Okay«, sagte Phil und stieß mit dem Knie die letzte Schublade wieder zu.
Wir kehrten aus der Dunkelkammer ins Wohnzimmer zurück. Plötzlich stieß mich Phil an. »Schnell in Deckung! Da kommt jemand!«
Ich hatte auch schon die Schritte draußen auf der Galerie gehört. Es konnte für uns unangenehm werden, wenn man uns hier erwischte. Wir hatten keinen Haussuchungsbefehl, es war eine glatte Überschreitung unserer Befugnisse. Natürlich hätten wir einen Durchsuchungsbefehl bekommen, aber die Gelegenheit war so günstig gewesen, dass wir es eben riskiert hatten.
Während Phil sich in die Ecke zwischen Fensterwand und Kleiderschrank zwängte, nahm ich Deckung hinter der Couch. Es war keine Sekunde zu früh, denn kaum waren wir untergetaucht, da wurde leise die Tür geöffnet.
Wer es auch immer sein mochte, schon an der Art, wie er die Tür öffnete, verriet er, dass er ebenso wenig berechtigt war, hier einzudringen, wie wir. Er klingelte nicht, sondern drückte die Tür heimlich und leise auf.
Wir verhielten uns mucksmäuschenstill. Seine Schritte tappten durch das Wohnzimmer direkt auf die Dunkelkammer zu.
Er mochte ungefähr in der Mitte des Wohnzimmers sein, als es bei mir losging. Zuerst kribbelte es nur ein wenig links in der Nase. Ich hielt den Atem an, aber das Kribbeln nahm zu. Ich wollte lautlos ein wenig Luft durch die Nase blasen, aber es nützte alles nichts. Ich fühlte, wie der Reiz an der Nase emporstieg, ich presste die Lippen zusammen, ich kniff mich ins Bein, um mich abzulenken - alles nichts. Das Niesen kam mit explosionsartiger Wucht.
Eine Sekunde später geschah alles mit unbeschreiblicher Schnelligkeit. Der Mann war von meinem plötzlichen Niesen ebenso erschrocken wie ich selbst. Dann aber warf er sich herum. Seine erste Kugel strich um Fingerbreite über die Couch und meinen Kopf hinweg.
Ich riss meine Waffe heraus und brüllte etwas, aber es blieb unverständlich, weil Phil genau im gleichen Augenblick auch etwas rief. Und dann pfiffen auch schon die nächsten beiden Kugeln knapp neben mir in den Fußboden.
Ich sah ihn seitlich von der Couch auftauchen. Für einen Sekundenbruchteil sah ich sein Gesicht wie in einer Großaufnahme vor mir: erschrocken, mit weit geöffneten Augen. Und da war auch seine Pistole.
Aus meiner geduckten Stellung schnellte ich mich beiseite, zog im Sprung und drückte ab. Ich knallte gegen einen Rauchtisch, riss ihn um und schlug eine Rolle vorwärts. Als ich wieder auf den Beinen stand, war es totenstill im Zimmer.
Der Mann lag neben der Couch und regte sich nicht. Ich ging hin. Phil stand schon neben ihm. Ein kurzer Blick verriet mir alles.
Ich nahm meinen Hut ab und warf ihn auf die Couch. Plötzlich merkte ich, dass ich schwitzte. Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn und ging zum Telefon. Ich legte die Pistole neben den Apparat und wählte eine Nummer. Als sich die Zentrale gemeldet hatte, sagte ich mit einer fremden Stimme: »Hier ist Cotton. Ich habe gerade einen Mann erschossen. Die Kugel traf ihn seitlich in die Schläfe. Schickt unsere Mordkommission. Hinterhof, 658,12th Street East.«
Ich ließ
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