0159 - Wir und die Konkurrenz der Mörder
betraten, fanden wir uns in einem großen Salon wieder, von dem Durchgänge in alle Himmelsrichtungen abzweigten. Wie das bautechnisch möglich war, blieb uns ein Rätsel, denn vorn war die ganze Front des Hauses mit Schaufenstern anderer Geschäfte bestückt.
Eine berückend schöne Dame in den Dreißigern stöckelte auf Bleistiftabsätzen zu uns heran und erkundigte sich sehr höflich nach unseren Wünschen. »Wir möchten den Chef sprechen«, sagte ich kurz angebunden.
Sie musterte uns einen Augenblick zögernd, dann bat sie uns, in den Sesseln Platz zu nehmen, die in reicher Auswahl herumstanden. Sie stöckelte durch einen der Durchgänge.
»Einen Wochenumsatz dieser Bude möchte ich haben«, seufzte Phil. »Ich fürchte, er übertrifft mein Monatseinkommen.«
»Du meintest wohl dein Jahreseinkommen«, brummte ich.
Mehr war über den Laden wirklich nicht zu sagen. Selbst der Kundschaft sah man an, dass sie vor Geld nicht wusste, wie man sich am besten die Zeit vertreibt. Es blitzte von Schmuck in allen Größenordnungen, nur nicht in allen Preislagen, denn die unteren waren von vornherein nicht vertreten.
Zwei Damen des vorgerückten Mittelalters, die noch sehr krampfhaft auf »jung« spielten, nörgelten mit einer Dame, die man gar nicht Verkäuferin zu nennen wagte, über irgendeine Stoffqualität. Man sah ihnen an, dass sie keine anderen Sorgen hatten.
Es dauerte vielleicht drei oder vier Minuten, da erschien ein Mann, dessen Gesicht zu seinem eleganten Cut passte wie die Faust aufs Auge. Er hatte ein brutales Kinn, verschlagene Augen und eine niedrige, nach hinten fliehende Stirn. Außerdem roch der Kerl aufdringlich nach Parfüm.
»Bitte sehr, meine verehrten Herrschaften, womit kann Ihnen Parisienne dienen?«, fragte er. Es klang so, als wollte er sagen: Schert euch raus, ihr verdammten Halunken.
Ich versuchte, seinen Tonfall zu kopieren und sagte in derselben Preislage: »Wir sind untröstlich, dass wir Sie mitten in Ihrem eleganten Geschäft stören, aber wir sind G-men und müssen Ihnen einige Fragen vorlegen.«
Er wich erschrocken einen Schritt zurück.
»G… G…«, stotterte er, wagte aber nicht, das ganze Wort auszusprechen.
»G-men, jawohl!«, sagte ich so laut, dass es alle hören mussten. »Wo können wir uns unterhalten?«
Alle Anwesenden reckten die Köpfe. Der Mann wäre am liebsten im Erdboden versunken oder uns an die Kehle gesprungen. Mit dem Zähnefletschen eines hungrigen Wolfes knurrte er: »Wenn Sie mir bitte folgen wollen?«
Wir wollten. Ohne uns um die Blicke der Millionärs-Gattinnen und der weit hübscheren Verkaufsdamen zu kümmern, gingen wir hinter ihm her durch eine Flucht kostbar eingerichteter Räume, auf Teppichen, die jeden Schritt schluckten, bis wir am Ende ein kleines Zimmer erreichten, in dem es einen Schreibtisch und sechs Sessel gab. Anscheinend durften hier die Herren Ehemänner ihr Scheckbuch zücken. Wir zückten unsere FBI-Ausweise.
»Bundespolizei«, murmelte er erschrocken. »Bundespolizei! Ich verstehe gar nicht, wie Parisienne Ihr Interesse erregen konnte, meine Herren! Unsere Bücher werden auf den Cent genau geführt, unser Personal ist absolut zuverlässig und in jeder Beziehung über jeden Verdacht erhaben, unser…«
»Stop!«, sagte ich. »Sie haben eine Mitarbeiterin namens Marry Woucester?«
»Marry… Marry Woucester… also…«
»Haben Sie eine solche Mitarbeiterin oder nicht?«
Er schluckte. Bei seinem Intelligenzgrad bereitete es ihm Schwierigkeiten, mit einer überraschenden Situation schnell fertig zu werden. Es brauchte eine ganze Weile, bis er sich dazu entschließen konnte, Marry Woucester als Mitarbeiterin zuzugeben.
»Was für eine Arbeit leistet Marry Woucester bei Ihnen?«
»Sie fertigt Modellentwürfe an.«
»Erklären Sie das genauer.«
»Sie entwirft Kleider, Mäntel und so weiter für die Damen der ersten Gesellschaft, die naturgemäß entsprechend anspruchsvoll sind.«
»Wie sehen solche Entwürfe aus?«
»Ich verstehe nicht recht, mein Herr?«
»Ich meine, sind diese Entwürfe Zeichnungen? Einfarbig? Mehrfarbig? Oder sind es richtige Ölbilder oder was sonst?«
»Natürlich sind es Zeichnungen! Manchmal schwarz-weiß, aber meistens farbig.«
Ich grinste ihn freundlich an.
»Bitte, wir möchten eine dieser Zeichnungen von Marry Woucester sehen.«
Sein Gesicht war geradezu köstlich. Die Augenbrauen hatten sich über der Nasenwurzel in die Höhe gezogen, der Mund stand ein wenig offen, und seine Aygen
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