016 - Die Schlangenköpfe des Dr Gorgo
Tentakel aus, die in eine grüne Brühe ragten. Wenn
Sarah glaubte, ihre Arme zu bewegen - dann waren es in Wirklichkeit die grauen
Tentakel!
Zitternd schloss sie die Augen und musste mit dem Sturm der
Verwirrung und der Gefühle fertig werden, die sie überfluteten.
Dann öffnete sie die Augen wieder und starrte hinüber zu ihrem
reglosen Körper. Er war tot - ihr Kopf lebte, und sie begriff soviel, dass die
grüne Flüssigkeit, in der die Tentakel schwammen, offensichtlich ihr Gehirn mit
Nahrung und Sauerstoff versorgten. Die Tentakel unmittelbar an ihrem weißen
Hals verfügten über eine Art Eigenleben. Sie zuckten, dehnten und reckten sich,
auch wenn sie es gar nicht wollte. Die winzigen Saugnäpfe entnahmen der Nährflüssigkeit
wertvolle Aufbausubstanzen und den lebensnotwendigen Sauerstoff, der durch ein
Aggregat unaufhörlich die Flüssigkeit anreicherte.
Sarah Malcolm wunderte sich, dass sie nicht sofort wahnsinnig
wurde und dem Ansturm der Gefühle und Fragen in diesen Augenblicken noch gewachsen
war.
Hinter ihr glitt lautlos eine Trennwand aus der Flüssigkeit - und
die anderen näherten sich ihr. Ebenfalls nur Köpfe, mit schlangenähnlichen
Tentakeln versehen, die sie am Leben erhielten.
Lautlos glitten sie heran. Ihre gleichmäßigen Bewegungen bewiesen,
dass sie sich schon länger in diesem Element aufhielten und die Tentakel bewusst
und gekonnt einsetzen konnten.
Sarah schob ihren Kopf langsam herum und starrte in fremde
Gesichter. Es handelte sich um fünf junge Frauen, die auf gleiche Weise
verunstaltet worden waren wie sie. Schiefe Gesichter, glühende Augen, seltsam
verzerrte Mundwinkel.
Sie hatten die Operation, die Dr. Gorgo an ihnen vollzogen hatte,
zwar überstanden - aber um welchen Preis!
Fünf Gesichter zählte sie vor sich. Und in allen stand der nackte
Wahnsinn. Je länger man sich in diesem Riesenaquarium aufhielt, desto sicherer
war die Wahrscheinlichkeit, irrsinnig zu werden!
Ein Schatten fiel von der Seite her über die Glaswand.
Sarah warf ruckartig den Kopf herum. Dabei hatte sie das Gefühl,
Arme und Beine zu bewegen. Dieses Bild jedenfalls drängte sich in ihrem Bewusstsein
auf.
Mit einem gefährlichen Grinsen um die Lippen näherte sich der
Bucklige dem Aquarium.
»Auch diesmal ist es wieder gelungen«, sagte er mit leiser Stimme,
und seine dunklen Augen schienen den schwimmenden Kopf zentimeterweise
abzutasten. »Die Operation war ein voller Erfolg. Wie fühlen Sie sich, Sarah ?«
»Bestie«, stieß das Mädchen angewidert hervor. Am liebsten hätte
sie Gorgo ins Gesicht gespuckt. Doch die dicke Glaswand hinderte sie daran.
Gorgo presste sein Gesicht fest gegen die Scheibe, dass seine Nase
plattgedrückt wurde. Sein hässliches Aussehen durch die Verschiebung der
äußeren Sinnesorgane verstärkte sich nur noch. »Sie befinden sich in bester
Gesellschaft. Siebenmal habe ich die Operation bereits durchgeführt und . . .«
Sarah Malcolms Augen wurden zu schmalen Schlitzen.
Siebenmal? Sie erinnerte sich daran, nur fünf Gesichter vorhin
gezählt zu haben.
Ruckartig warf sie ihren Kopf herum. Die Tentakel zuckten, während
andere sich mechanisch bewegten, um den Kopf ständig auf der Oberfläche der
Nährflüssigkeit zu halten.
Gorgo lachte, als er die Reaktion Sarah Malcolms begriff. Seine
Stimme dröhnte dumpf gegen die Scheibe des unheimlichen Aquariums. »Wie ich sehe,
haben Sie sich mit der neuen Umgebung schon vertraut gemacht. Sie haben richtig
erkannt, dass außer Ihnen nur fünf weitere Schlangenköpfe in der Nährlösung
schwimmen. Aber bis vor drei Wochen waren es sechs gewesen. Mit dem anderen
Kopf ist inzwischen etwas geschehen. Er gehörte einer gewissen Bianca Wells .«
Eine Erkenntnis spiegelte sich in den Augen Sarah Malcolms.
Bianca Wells! Diesen Namen kannte sie. Der Fall beschäftigte noch
immer Scotland Yard und wurde in der englischen Presse behandelt. Das fünfzehnjährige
Mädchen war die Jüngste im Kreise derer, die man als Opfer Dr. Gorgos
bezeichnete. »Ihr Gehirn hat mir für ein besonderes Experiment zur Verfügung
gestanden .« Gorgo kicherte. Seine dunklen Augen
glühten, während er gebückt vor dem Aquarium stand und Sarah anstarrte.
»Biancas Mutter hatte eine Schwäche für Hunde. Und einmal sagte sie zu mir:
Kriech nicht so wie ein Hund vor mir herum, es fehlt nur noch, dass du
bellst... Jetzt hat es sich umgekehrt erfüllt. Sie
kriecht vor mir herum - sie ahnt es vielleicht - vielleicht nur«, fügte er
zusammenhanglos
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