0162 - Londons Pflaster ist heiß
heraushauen, aber wer lässt sich schon gern von seinem Chef aus der Patsche holen.
»Kommen Sie heraus, Mann!«, dröhnte jetzt die Stimme eines der Beamten.
Ich überlegte in rasender Eile. Wenn es Bobbys, die normalen Londoner Polizisten, waren, dann waren sie unbewaffnet, aber ich hatte genug von diesen Männern gehört, um zu wissen, dass sie sich einen Dreck darum kümmern würden, wenn ich ihnen die Pistole unter die Nase hielt.
Geduckt huschte ich zur Tür.
»Kommen Sie heraus, oder wir holen Sie!«, rief der Beamte. Gleichzeitig sah ich den.hin- und herwischenden Schein von Taschenlampen, und das verbesserte meine Situation gar nicht.
Die Männer setzten sich in Bewegung. Ihre Schritte näherten sich der Tür. Der Schein der Taschenlampen drang in den Raum ein.
Ich holte tief Luft, schnellte hoch und rannte, den Kopf gesenkt, gegen die Männer an.
Es klappte ganz gut. Ich rannte einen der Bobbys glatt über den Haufen, ohne selbst von den Füßen zu kommen, und das war alles, was ich erreichen wollte. Im Sprintertempo setzte ich meinen Weg fort. Leider hatte mich der Zusammenprall kurz gestoppt. Ich kam nicht schnell genug wieder in Fahrt. Der zweite Bobby griff zu, und er erwischte mich am Jackett.
»Kein Widerstand, Mann!«, brüllte er.
Ich drehte mich unter seinem Griff weg. Für einen Sekundenbruchteil fiel das Licht seiner Taschenlampe genau in mein Gesicht. Ich bückte mich aus dem Schein weg, warf mich mit der Schulter voran gegen seine Beine. Er kippte glatt nach vorn auf meinen Rücken. Ich brauchte ihn nur noch abzuschütteln.
Glas klirrte, und jetzt war es endlich wieder dunkel.
***
Cleans Laden kannte ich gut genug, um den Ausgang auch in der Dunkelheit und mit Höchstfahrt zu finden. Dass ich ein paar Tische und Stühle umrannte, einen Vorhang herunterriss und zwei Blumenvasen zerschmetterte, war unwichtig. Jedenfalls gewann ich die Straße und zischte im Mordstempo ab.
Hinter mir schrillten die Trillerpfeifen der Bobbys. Ich drückte mich in eine Seitenstraße, holte Luft und verstaute die Pistole. Dann setzte ich mich wieder in Trab.
Auch von einer anderen Ecke wurde jetzt gepfiffen. Ich begriff, dass ich noch nicht aus dem Schneider war. Wenn ich Beamten in die Arme lief, die das Trillern gehört hatten, dann konnte das Spiel von vorne anfangen. Andererseits musste ich aus dem Viertel heraus, denn sie würden sicherlich in wenigen Minuten eine groß angelegte Suchaktion starten.
Ich lief jetzt nicht, sondern ging mit großen, eiligen Schritten. Mit gespitzten Ohren lauschte ich, um etwaige Verfolger rechtzeitig zu hören. Wie ein Hase schlug ich Haken in jede Querstraße. Einmal hörte ich die Tritte eiliger Männerfüße und drückte mich in eine Toreinfahrt, aber die Beamten liefen an der Querstraße, in der ich mich befand, vorbei.
Ich stieß auf einen Wagen, der unter einer trüben Laterne geparkt war. Es war ein alter, klappriger Austin.
Immer noch trillerte es, mal nah und mal fern, und dieses verdammte Trillern erweckte in mir das sichere Gefühl, dass ich mich früher oder später in einem Netz fangen würde, wenn ich es nicht rechtzeitig durchbrach.
Beim FBI bringen sie uns eine ganze Menge Tricks bei, wie man ein Auto in Gang setzt, zu dem man keinen Schlüssel hat.
Ich probierte ein paar davon an dem alten Austin aus. Obwohl ich kein Werkzeug hatte, gab seine Tür bald nach. Ich klemmte mich hinter das Steuer und fummelte am Zündschloss herum.
Ich hatte es zu eilig, um lautlos zu Werke zu gehen. Plötzlich zeterte über mir eine Stimme: »Weg von dem Wagen! Hilfe! Diebe! Polizei!«
Der Mann musste aus dem Fenster seiner Wohnung hängen. Anscheinend fehlte es ihm ein wenig an Mut, sonst wäre er ohne Geschrei heruntergekommen und hätte mir einen Knüppel über den Schädel geschlagen.
Ich hatte den Austin so weit, dass ich mich um das Jammern seines mutmaßlichen Besitzers nicht mehr zu kümmern brauchte. Ich drückte auf den Anlasser. Der Motor sprang an.
Mit dem letzten Rest, den die klappernde Karre hergab, jagte ich sie durch die engen Straßen. Ich pries in Gedanken meinen Lehrer in New York, der mir Londons Straßennetz eingehämmert hatte. Nur einmal erfassten die Scheinwerfer die Gestalten zweier Polizisten, die sich auf die Straße stellten, um mir den Weg zu versperren. Ich sah sie rechtzeitig genug, um einfach noch in eine Querstraße einbiegen zu können.
Sie wissen ja, dass die Engländer sehr konservative Leute sind, aber so konservativ sind
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