0163 - Der Hexenhenker
hob er sich für später auf. Vor allem mußte auch die Frage geklärt werden, wieso diese magische Verbindung zwischen Lydia Manshold und Nicole überhaupt zustande gekommen war.
Zamorra verschob es ebenfalls. Vordergründig blieb das Thema James Withe. Der junge Mann war also gegen ihn gewesen. Eigentlich gar nicht zu Unrecht. Schließlich kannte er den Professor nicht und konnte sich kaum vorstellen, daß der Professor niemals mit der Gesundheit und dem Leben seiner Mitmenschen spielte. Bisher hatte er stets andere Lösungen der entstandenen Probleme gefunden. Er würde es auch in Zukunft so halten.
Der Professor zwang sich zu einem Lächeln und wollte etwas sagen. Mrs. Coldwater kam ihm zuvor: »Gestern abend noch tauchte Lydia hier auf. Ich führte sie in das Zimmer, das eigentlich gar nicht mehr existiert. Später wurde sie von den Henkersknechten abgeholt. Können Sie jetzt begreifen, wie es in Mr. Withe aussieht? Er hat die halbe Nacht lang Bloodstone nach seiner Freundin abgesucht und sieht sie nun gesund und munter vor sich.«
Gottlob hatte die Wirtin nicht verraten, daß dies gar nicht Lydia war. Zamorra hätte den Irrtum gern noch aufrechterhalten. Nicole war anderer Meinung. Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen. Zamorra machte eine abwehrende Handbewegung. »Kommen Sie, Mr. Withe, wir wollen uns ein wenig unterhalten.«
James Withe betrachtete die falsche Lydia. Dann nickte er. Zamorras Unterstützung wehrte er ab, als sie in die Schankstube gingen.
James Withe setzte sich an den nächstbesten Tisch. Zamorra plazierte sich ihm gegenüber. Er ließ Withe nicht aus den Augen, als er sein Amulett unter dem Hemd hervorzog und es ihm zeigte.
Die Augen des Jungen weiteten sich. Er stierte auf das Amulett, und die geheimnisvollen Ausstrahlungen der Scheibe schienen ihm nicht zu bekommen. Er begann zu schwitzen. Dicke Schweißperlen erschienen auf seiner Stirn und liefen ihm in die Augen. Er achtete gar nicht darauf.
Stöhnend griff er nach dem Amulett, als wollte er es entfernen, damit es ihn nicht mehr quälen konnte.
Zamorra ließ ihn gewähren.
Kaum berührte der Junge die Silberscheibe, als sich ein furchtbarer Schrei seiner Kehle entrang. Er schüttelte sich wie im Fieber, schrie und schrie.
Der Professor hielt sich neutral. Dies hier war eine Entscheidung ganz besonderer Art.
James Withe ließ das Amulett wieder los. Die Scheibe hatte sich stark erwärmt. Der Junge lehnte sich zurück und entspannte sich. Müde schloß er die Augen.
»Ich danke Ihnen, Professor Zamorra. Jetzt habe ich meinen Frieden wiedergefunden. Das Böse und das Gute befanden sich im Widerstreit, und oftmals sah es so aus, als würde das Böse siegen. Der Haß gegen Lydia wegen ihres Verhaltens weckte meine magischen Kräfte. Jetzt haben sie sich entschieden. Professor Zamorra, ich bin Ihr Mann.« Er öffnete die Augen wieder.
Für die falsche Lydia hatte er keinen Blick. Nicole trat hinter ihn und legte die Hände auf seine Schulter.
»Ich bin nicht Lydia Manshold, aber das spielt jetzt keine Rolle mehr. Sie haben sich geirrt, und ich bin froh, daß es mir gelungen ist, Ihnen etwas vorzuspielen. So gelang es wenigstens, bei Ihnen eine Gewissensentscheidung hervorzurufen.«
Erschrocken wandte er sich um.
»Sie sind nicht…?«
»Mein Name ist Nicole Duval, und ich bin die Freundin des Professors.«
Nicole lächelte Zamorra an. Ein Lächeln, das um Verzeihung bat. Sie liebte diesen hochgewachsenen, schlanken Mann, der keineswegs den Typ des Gelehrten repräsentierte. Zamorra war nicht nur von überragender Intelligenz, er wußte auch zuzupacken, wenn es darauf ankam. Das hatte er oft genug bewiesen. Und er war ein Kenner der Magie.
Im Moment hatte er den Eindruck, daß er die Situation nicht ganz so gut im Griff hatte, wie er es sich gewünscht hätte. Deshalb sprang er tatkräftig auf und winkte Mrs. Coldwater zu. »Es wird Zeit, daß Sie mir etwas über den Fluch erzählen.«
Die Wirtin schielte nach James Withe und zog den Kopf ein. Zamorra verstand.
»Wo können wir uns ungestört unterhalten?«
Sie deutete mit dem Daumen auf eine Tür.
»Es gibt ein Nebenzimmer. Dort werden wir unter uns sein.«
Zamorra ging mit ihr hinüber. Nicole ließ er bei Withe zurück. Der Student konnte nicht so recht begreifen, daß er sich geirrt hatte. Zamorra hörte ihn sagen: »Aber dann ist Lydia immer noch bei den Henkersknechten!« Die Tür schloß sich hinter ihm.
Das Nebenzimmer war zu klein. Hier konnten keine
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