0163 - Der Hexenhenker

Lordsohn, der immer wieder versicherte, sie zu lieben und sie nur wegen seines Vaters nicht heiraten zu können. Der Stolz von Ellen Sanders ließ nicht zu, daß sie darauf einging. Sie warf den Lordsohn hinaus und wollte ihn niemals wiedersehen.
    Als der Lordsohn Bloodstone verließ, war sein Herz voller Haß. Damit wollte er die unglückliche Liebe zur Bäckerstochter überwinden. Sein Vater sah es anders. Er sorgte für die Verhaftung von Ellen Sanders. Sie wurde angeklagt, eine Hexe zu sein, die mit ihren Hexenkräften das Unglück des Lordsohns beschwor. Ellen Sanders landete in den Folterkammern der Heiligen Häuser und wurde schließlich vom Henker gerichtet.
    Damit begann die Tragödie erst. Jeder von Bloodstone weiß, was sich damals auf dem Marktplatz abspielte. Es beeinflußte die folgenden Jahrhunderte.
    Viel Volk war am Tag der Hinrichtung versammelt. Den Brunnen hatte man überbaut. Die Henkersknechte stellten den Richtblock auf. Und dann brachten sie die angebliche Hexe.
    Ellen Sanders war stolz wie eh und je. Hochaufgerichtet saß sie im Wagen, der über das Pflaster holperte. Die Menschen schleuderten ihr Schmährufe entgegen. Sie betrachtete sie kalt, was sie zum Verstummen brachte. Totenstill war es auf dem Platz. Man hörte nur das Klappern der eisenbeschlagenen Hufe und das Rumpeln des Wagens. Ellen Sanders hatte in den Folterkammern die Hölle erlebt, und doch wirkte sie unverletzt. Das sackähnliche Gewand war verschlissen, die langen, pechschwarzen Haare wehten im Wind und die Augen sprühten auf einmal Feuer.
    Gefesselt führten sie die Delinquentin zum Schafott. Es war in Bloodstone üblich, die Hexen erst zu enthaupten und dann erst ihre sterblichen Überreste auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen. Schon schlugen die ersten Flammen in den Himmel. Der Scheiterhaufen brannte. Man wartete auf den Leichnam.
    Mit einem einzigen Ruck zerfetzte Ellen Sanders die Handfesseln. So etwas hatten die Gaffer niemals zuvor gesehen. Ein Raunen ging durch die Menge. Die Henkersknechte schreckten vor der Hexe zurück.«
    Mrs. Coldwater schwankte auf ihrem Stuhl hin und her. Zamorra mußte befürchten, daß sie den Halt verlor. Ihre Augen wirkten wie glühende Kohlenstücke in dem leichenblassen Gesicht. Als würde sie genau das sehen, was sie eben erzählte.
    Der Professor sprang zu ihr hin, um sie zu stützen.
    »Nein, danke, es geht schon, Professor Zamorra. Die- Geschichte nimmt mich sehr mit. Das ist alles. Ich weiß mich aber dennoch zu beherrschen.«
    Zamorra traute dem Frieden nicht so recht. Aber er gehorchte und setzte sich wieder der Wirtin gegenüber.
    Mrs. Coldwater fuhr mit rauher Stimme fort: »Ellen Sanders streckte beide Arme zum Himmel. Schwarze Wolken zogen sich zusammen, ballten sich wie zu einer drohenden Riesenfaust, Düsternis erzeugend. Sie hob ihre Stimme, die laut über den Platz hallte: ›Satan, ich rufe dich. Rache will ich für meine Peiniger. Ich bin deine Dienerin. Viel habe ich in den Héiligen Häusern der Inquisition gelernt. Diese da, die sich als Vertreter des Guten ausgeben, sind schlimmer noch als die Diener des Satans. Deshalb wende ich mich von ihnen ab und schaue in dein furchtbares Antlitz. Satan, erhöre mich, werin ich meinen Fluch über diese Stadt verhänge.‹
    Ihr Blick heftete sich auf den Henker, der mit seinem Richtbeil bereitstand. ›Ich sage dir, du bist nicht der Henker der Gerechtigkeit, sondern der Henker des Teufels. Das weißt du selber. Also soll dir der Teufel geben, was dir gebührt. Er soll dich unsterblich machen, zu einem Wesen, nicht Mensch nicht Tier, nicht Dämon, nicht Geist. Bleibe des Teufels Henker bis in alle Ewigkeit und vollstrecke mein Urteil, das ich über die Stadt und ihre Bewohner fälle. Wehe den Männern, die mit ihren Gedanken den Zorn auf ihre Geliebten beschwören! Wehe den Frauen und Mädchen, denen dieser Zorn gilt! Die Gedanken der verschmähten Liebhaber sollen dich wecken, damit du das Urteil vollstreckst, aber die gerichteten Mädchen sollen mir gleich sein und ebenfalls Rache üben an ihren Richtern. Mein Haupt gehört dir, und damit sei der Pakt besiegelt.‹
    Sie schwankte wie ein Schilfhalm im Wind, brach zu Böden, als hätte sie alle Kraft mit einem Mal verlassen. Mühsam richtete sie sich auf.
    ›Ich spüre die Schwäche des Todes, der schon jetzt seine Klauen nach mir ausstreckt. Handele rasch, Henker, sonst nimmt er dir die Arbeit ab. Satan ist mit uns, wenn du dein Richtbeil niedersausen läßt, um das Leben