0163 - Der Hexenhenker
sollte ich eine Lebensgemeinschaft eingehen? Sollten meine Kinder ebenfalls wahnsinnig werden? Vielleicht würde er mich auch eines Tages in einem Anfall umbringen?
Vor drei Wochen verschwand er. Ich war froh darum, und jetzt wundere ich mich, warum ich hierherkam. Ich handelte unter einem Zwang, gegen den ich mich die ganze Zeit über vergeblich zur Wehr setzte.‹
Ihre Mutter erbleichte. Sie hatte einen schrecklichen Verdacht. ›Der Fluch!‹ ächzte sie. ›Mein Kind, dein Freund ist hier und hat den Henker zu neuem Leben erweckt. Deshalb bist du hier. Du mußt so schnell wie möglich verschwinden, ehe es zu spät ist.‹
Aber es war bereits zu spät. Die Tochter bezog ihr Zimmer, und die beiden Frauen hatten wirklich keine Chance, sich gegen die magischen Mächte zur Wehr zu setzen, denen sie gehorchen mußten.
In der Nacht kamen die körperlich gewordenen Henkersknechte und entführten die Unglückliche. Als dies geschehen war, erzählte die Wirtin dem jungen Mann von dem Fluch. Er hatte so etwas schon geahnt, weil er die magischen Ausstrahlungen spürte. Die Wirtstochter hatte ihn in seiner Not schmählich im Stich gelassen. Deshalb sein Haß auf Sie. Jetzt bereute er es bitter, weil er in seinem Egoismus Unheil über sich, das Mädchen und auch über Bloodstone gebracht hat. Er gelobte, seine magischen Kräfte dafür einzusetzen, den Fluch zu brechen.
Es ist nicht überliefert, was danach im Einzelnen geschah. Die Wirtin und auch die anderen Bewohner von Bloodstone konnten nur erzählen, wie es sich ihnen darbot.
Nacht senkte sich plötzlich über die Stadt. Die Sonne verbarg sich hinter drohenden Wolken. Es war so, wie es die Bloodstoner oft genug erlebt hatten. Die Magie des Fluches trieb sie zum Platz. Die Wirtin war ebenfalls anwesend, denn nur die Kinder wurden von dem schrecklichen Geschehen ausgenommen. Sie fielen wie gewöhnlich in einen tiefen Schlaf.
Die Wirtstochter wurde auf dem Karren herbeigebracht. Wie einst Ellen Sanders stand sie aufrecht und stolz, denn der Geist der ehemaligen Hexe war mit ihr. Der Hexer des Teufels wartete darauf, sein blutiges Handwerk zu erledigen.
Nur als das Mädchen das Schafott betrat, wurde alles anders. Der junge Magier war ebenfalls anwesend. Er sprang hinauf und nahm das Mädchen in die Arme. Seine Stimme hallte weit über den Platz, als er ausrief: ›Ich bekenne hiermit meine Liebe zu ihr, und alle sind meine Zeugen. Niemals mehr soll der Fluch wirksam werden. Ich habe die Tage benutzt, um in mich zu gehen. Hiermit opfere ich mein Leben und meinen Geist, denn meine Liebe verbündet sich mit der Magie des Guten. Das Böse soll besiegt werden und Bloodstone in Zukunft verschonen.‹
Da löste sich der Kopf der Hexe von dem Mädchen, mit dem er verbunden war, und lachte gellend.
›Du Narr, glaubst du wirklich, mit deinen schwachen Kräften die Gerechtigkeit des Teufels aufhalten zu können?‹
›Ja, das glaube ich‹, rief er unbeirrt. ›Alle sehen, wie sehr ich die Unglückliche liebe, und mein Herz ist voller Mitleid mit dir.‹
›Du bist längst ein Verdammter und kannst gar nichts dagegen tun. Dein Leben und deinen Geist willst du opfern? Daß ich nicht lache. Sie gehören dir längst nicht mehr, sondern unterliegen dem Fluch. Man kann nichts opfern, was längst einem anderen zugesprochen ist. Begreife es, Narr, und begreife auch, daß ich dich vernichten kann. Der Henker steht bereit. Er wird sein Werk vollenden, und dann wirst du meiner Rache unterliegen.‹
Die Tochter der Wirtin legte ihren Kopf auf den Richtblock, und ihr Geliebter war wie gelähmt. Er konnte nichts dagegen tun, mußte tatenlos zusehen, wie die Geliebte ihr Leben aushauchte. Und dann stürzte sich der Kopf der Hexe auf ihn, um ihn zu töten. Die Bewohner von Bloodstone hielten den Atem an, als sie das sahen, denn der junge Magier konnte sich tatsächlich gegen den Angriff wehren. Seine Kräfte reichten dafür aus. Er gab dem Henker einen Stoß und warf sich über den Leichnam der Geliebten. Immer wieder rief er in verzehrender Liebe ihren Namen. Dagegen konnte die Hexe nichts ausrichten. Auch der Henker war offensichtlich machtlos.
Der junge Magier nahm den Leichnam der Hingerichteten auf und trug ihn zum Feuer. Mitten hinein schritt er. Die Bewohner von Bloodstone sahen ihn so lange aufrecht in den prasselnden Flammen stehen, bis ihn das Feuer verzehrt hatte.
Später, als man die Asche untersuchte, fand man nicht die geringste Spur der beiden.
Der Kopf der Hexe aber
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