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0163 - Der Hexenhenker

0163 - Der Hexenhenker

Titel: 0163 - Der Hexenhenker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilfried Antonius Hary
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eine Art Schafott gebastelt. Daneben war ein Scheiterhaufen aufgeschichtet. Als Zamorra und Nicole in die Stadt kamen, war der Markt noch leer gewesen. Das Bild hatte sich rasch gewandelt.
    Jetzt wurde James Withe über die Köpfe der Gaffer gehoben. Man warf ihn auf die hölzerne Plattform über dem ausgetrockneten Brunnen. Er war es, der die ganze Zeit schimpfte. Jedes seiner Worte wurde mit wütenden Zurufen quittiert. Vier kräftige Burschen jumpten auf die Plattform und rissen Withe hoch, damit ihn jeder sehen konnte.
    »Ja«, rief einer in der Nähe begeistert, »jetzt geht es dem Typ endlich an den Kragen. Das sollte man mit jedem Fremden machen.«
    Er spürte Zamorras Blick und schaute sich um. Der Professor hatte gute Lust, dem Mann die Faust auf die Nase zu setzen. Der schien ihm das anzusehen, denn er drehte sich herum und verschwand in der Menschenmenge.
    Ein Fünfter erschien auf dem Notschafott. Irgendwo hatte er eine altmodische Richterperücke aufgetrieben. Eine äußerst makabre Szene. Unglaublich, daß sich die Bewohner von Bloodstone in so kurzer Zeit verändert hatten. Gern hätten der Professor und auch Nicole eingegriffen, aber was konnten sie gegen die aufgebrachte Menge tun? Sie wären eher selber auf dem Schafott gelandet. Was man von Fremden hielt, hatten sie eben gehört.
    Der mit der Richterperücke spuckte James Withe vor die Füße.
    »Angeklagter, dein Name ist James Withe, und du stammst aus London. Stimmt das?«
    James Withe wollte zu seiner Verteidigung anheben. Einer der rauhen Burschen packte ihn kurzerhand am Schopf und drückte seinen Kopf nach vom.
    »Aha, du bejahst meine Frage«, konstatierte der Pseudorichter. »Nun gut, dann kann ich fortfahren. Du hast in den letzten zehn Tagen alles getan, um des Teufels Henker zu beschwören, und das ist dir endlich gelungen. Also stehst du mit dem Bösen im Bunde. Wenn das in allen Punkten stimmt, dann nicke einmal.«
    James wollte sprechen. Einer schlug ihm quer über den Mund und ließ ihn verstummen. Der andere packte ihn wieder in den Haaren und drückte den Kopf nach vom.
    »Es ist gut, daß du geständig bist.«
    Ein paar der Zuschauer lachten schadenfroh.
    »Glaube kaum, daß in den letzten hundert Jahren hier soviel los war«, zischte Nicole, »aber ich muß sagen, diese Art liegt mir ganz und gar nicht.«
    Zamorra gab keine Antwort. Er hielt nach dem Konstabler Ausschau. Es wurde Zeit, daß der Mann kam. Aber vielleicht verriegelte er auch nur die Tür seines Büros und kam erst wieder zum Vorschein, wenn keine Gefahr mehr bestand? Es wâr kaum anzunehmen, daß er gewohnt war, einen harten Dienst zu machen.
    »Wir sind noch nicht am Ende, Angeklagter. Du bist am gestrigen Abend aus dem Fenster gestürzt und hast dich dabei nicht einmal verletzt. Zeugen haben gesehen, daß du kopfüber auf der Straße gelandet bist. Jeder normale Mensch hätte sich unweigerlich das Genick gebrochen, falls ihm nicht noch Schlimmeres passiert wäre. Du bist aufgestanden und hattest noch nicht einmal eine zerknitterte Bügelfalte.« Der Richter hob seine Stimme. »Stimmt es, daß dir dabei des Teufels Henker beistand?«
    Zum dritten Mal drückte man Jims Kopf mit brutaler Gewalt nach vom, damit es aussah, als würde er nicken.
    »Dann ist die Beweisaufnahme hiermit abgeschlossen. Das Urteil fällt das Volk.«
    Der Mann rückte seine Perücke zurecht und wandte sich an die Gaffer. »Wer stimmt für schuldig?«
    Ein ungeheurer Lärm erhob sich. Die Menschen schwangen ihre Fäuste, drohten zum Schafott hinauf.
    Fünf Männer bemühten sich redlich, die Reisigbündel des Scheiterhaufens in Brand zu stecken. Die waren allerdings zu feucht und produzierten dicke Qualmwolken. Es dauerte eine Weile, bis die ersten kleinen Flämmchen emporzüngelten.
    Immer mehr der Anwesenden brüllten: »Schuldig!« Sie formierten sich zu einem donnernden Chor. Das »Schuldig!« brandete gegen die Häuser rings um den Marktplatz, als wollte es die Fassaden einreißen. Gewiß war es bis nach außerhalb des Ortes zu hören.
    »Schuldig!«
    Der Pseudorichter winkte mit beiden Armen ab. Er hatte seine liebe Not, die Menge zur Räson zu bringen.
    James Withe wirkte unbeteiligt. Er hatte sich mit seinem Schicksal abgefunden und stierte vor sich hin. Wahrscheinlich wartete er nur noch darauf, daß es möglichst schnell ging.
    Der Pseudorichter fragte nun: »Und wer stimmt für nichtschuldig?«
    Es meldeten sich nur zwei Menschen: Professor Zamorra und Nicole Duval. Sie sagten

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