0164 - Flieh, wenn der Würger kommt
Nacht noch etwas geschehen würde. Und wenn, dann wollte ich voll da sein.
Nach einigen Minuten fiel ich in einen leichten Schlaf. Im Laufe der Zeit hatte ich so etwas wie Routine bekommen, ich konnte schlafen, aber auch blitzschnell wach werden, wenn mich irgend etwas störte. Sei es nun ein fremdes Geräusch oder eine sich rasch verdichtende Ahnung.
Diesmal war es kein Einbrecher, der mich störte, sondern das Telefon. Es schrillte unüberhörbar laut.
Augenblicklich war ich voll da, hob ab und meldete mich.
Es war Earl Gantry, unser Einsatzleiter, der in dieser Nacht die Schicht leitete.
»Ich hoffe, du hast noch nicht geschlafen, John.«
»Kaum.« Ein Blick auf die Uhr zeigte mir, daß wir fast Mitternacht hatten.
»Du musst noch mal raus. Mord«
»Und wer?« fragte ich.
»Dr. Marion Savallo«
»Die Staatsanwältin?«
»Ja. Ein Bekannter, der auch einen Wohnungsschlüsseln beisitzt, hat sie gefunden. Soviel ich gehört habe, ist sie erwürgt worden. Eine widerliche Sache«
»Gib mir die Adresse.«
Ich bekam sie. Mein Weg würde mich nach Mayfair führen. Diesmal fuhr ich nicht allein, sondern sagte Suko Bescheid. Auch der Chinese hatte sich noch nicht ausgezogen.
»Ahnte doch, daß noch etwas passiert«, sagte er, als er seine Lederjacke überstreifte und Shao zum Abschied einen Kuß auf die Lippen hauchte.
Wir nahmen den Bentley und fuhren rüber nach Mayfair. Dieser Stadtteil gehört zu den bevorzugten Wohngegenden Londons. Wir fuhren durch stille Straßen. Kaum ein Wagen begegnete uns. Nicht weit von der Ostseite des Hyde Parks entfernt lag das Terrassenhaus versteckt hinter hohen Ulmen, so daß nur das pyramidenfiirmig zulaufende Dach zu sehen war. Hier wohnte Marion Savallo, vielmehr hatte sie gewohnt.
Es gab eine schmale Stichstraße, die zum Haus führte und bei den Abstellplätzen mündete.
Dort standen auch die Wagen der Mordkommission.
Wir fuhren hoch. Die Wohnungstür stand offen. Licht fiel in den Flur, und die Beamten befanden sich noch bei der Arbeit. Ich nahm einen typischen Tabakgeruch wahr und wußte, daß Inspektor Quincy in dieser Nacht Dienst hatte. Er war ungefähr so alt wie ich, wir kannten uns ziemlich gut.
»Gut, daß Sie da sind«, sagte er und reichte mir die Hand. »Und der Schatten ist auch mitgekommen.« Damit meinte er Suko, der ebenfalls begrüßt wurde.
»Wie sieht es aus?« fragte ich Quincy, der immer etwas traurig aussah, hob die Schultern und kratzte über seinen Stoppelbart. »Nicht gut, die Würgemale sind deutlich zu sehen. Wie ich hörte, sind Sie an dem Fall interessiert. Hat das irgend etwas mit Geistern und Dämonen zu tun?«
Ich nickte.
Quincy brummte was in seinen nicht vorhandenen Bart und schaute durch den Türspalt.
»Schätze, wir können mal nachsehen, ohne die Leute zu stören.« Er drückte die Tür auf.
Ich sah die Leiche. Sie lag auf dem Rücken. Marion Savallo war noch vollständig angezogen, im Gegensatz zu den früheren Opfern des Würgers Ihr Hals lag allerdings frei, so daß ich deutlich die Würgemale erkennen konnte.
Wieder kniete ich mich neben das Opfer des unheimlichen Würgers. Die Male am Hals glichen denen des Zuchthausdirektors fast auf's Haar. Auch der Ringabdruck war zu erkennen.
Erwin Wozny lief Amok!
Sollte ich mich denn so getäuscht haben? Hatte Asmodina ihm wirklich erlaubt, den Weg der Rache zu gehen? Ich runzelte die Stirn. Es sah alles ziemlich bescheiden aus, und ich fragte mich, warum Dr. Savallo nicht geflüchtet war. Man hatte sie anrufen wollen, um sie zu warnen, aber vielleicht war sie da schon tot gewesen.
Ich erkundigte mich nach der Uhrzeit.
Der Arzt wiegte den Kopf. »So schnell kann ich Ihnen keine genaue Zeit geben, aber zwei Stunden ist sie schon tot.«
»Dann muß sie gegen 22 Uhr gestorben sein.«
»Könnte angehen, Mr. Sinclair.«
Ich zündete mir eine Zigarette an. In diesen Augenblicken fühlte ich mich verdammt mies. Wir hätten schneller reagieren sollen, dann wäre das vielleicht nicht passiert. »Ist der Zeuge noch da, der die Leiche entdeckt hat?«
Quincy nickte. »Er sitzt im Wohnraum. Sie können ihm ein paar Fragen stellen.«
»Ja.«
Der Mann trank Whisky. Er hatte sich einen dreifachen eingeschenkt. Sein Blick war stumpf, die Haut hatte einen grauen Schimmer bekommen. Unruhig knetete er seine Hände.
Ich stellte mich vor.
Sein Name war Fred Burger. Er sagte ihn mit tonloser Stimme. Ich unterhielt mich ein paar Minuten mit ihm, ohne jedoch irgend etwas zu erfahren.
Zum
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