0165 - Bis zum letzten Atemzug
ein Schnappmesser empfehlen.«
»Ein Schnappmesser?«, wiederholte Phil verdutzt.
»Ja. Die Burschen, die in den Schlachthöfen arbeiten, sind rabiate Gesellen. Sie haben leicht Streit untereinander, und dann gehen sie schon mal mit dem Messer aufeinander los. Man kann nicht wissen, ob sich eines Tages nicht auch mit Ihnen anbinden. Aus reinem Übermut.«
»Das sind ja heitere Aussichten«, brummte ich. »Wenn ich mir’s recht überlege, war ich eigentlich noch nie ein spezieller Freund von Rindfleisch.«
Wagner lachte. Auch Phil stimmte ein. Selbst ich grinste.
***
Wir zogen uns im Districtgebäude um. Als stellenlose Arbeiter konnten wir nicht mit Zweihundert-Dollar-Anzügen aufkreuzen. Was gut und neu war, ließen wir im Districtgebäude zurück, wo man es für uns verwahrte. Nur die ältesten Sachen und einen einzigen guten Anzug; für den »Sonntag«, nahmen wir mit.
Mit einem Taxi zischten wir ab. Wagner hatte uns versprochen, dass er uns däs Ergebnis der Verhöre von Hynes und Genossen bei Gelegenheit berichten würde. Wir hatten schon kein Interesse mehr an dieser Sache, in die wir zufällig hineingestolpert waren. Der Schmuck war wieder da, die Täter saßen auf Nummer sicher - was sollten wir uns noch um diese Geschichte kümmern? Wir hatten doch einen Auftrag!
Gegen halb elf Uhr nachts kamen wir in die Cattle Street. Schon als das Taxi langsam in die Nähe der Schlachthöfe kam, rümpften wir die Nase. Der süßliche Duft getöteter Tiere lag in der Luft.
Wir hatten einfach mit einer Münze gelost. Ich sollte das Zimmer im Haus 29 beziehen, Phil dasjenige in der 32. Wir bezahlten das Taxi, stiegen aus, nahmen unsere Koffer und trennten uns mit einem kurzen Händeschütteln.
Die Häuser hier waren vierstöckige Mietsblocks, die noch aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg stammten. Sie waren verrußt, hässlich und verwahrlost. Niemand kümmerte sich um den abbröckelnden Verputz, sodass man überall nackte Mauerstellen mit den Fugen zwischen den Ziegeln sah. Das Schlimmste aber war der penetrante Gestank, der über allem lag, dick und fast greifbar.
Ich riss mein Feuerzeug an und leuchtete die Schilder an der Haustür ab. Ein verwaschener Name in der zweiten Etage konnte Steaven bedeuten, die mir von Wagner angegebene Anschrift.
Zweimal drückte ich den Klingelknopf nieder. Geduldig wartete ich fast fünf Minuten, danach klingelte ich erneut.
Hoch über mir flog ein Fenster auf und eine schrille Frauenstimme rief herab: »Ja, was ist denn los?«
Ich trat einen Schritt von der Bordkante zurück und legte den Kopf in den Nacken. Oben sah man wie einen Schatten in der schlecht beleuchteten Straße den Kopf einer Frau zum Fenster herausragen.
»Mrs. Steaven?«, rief ich hinauf.
»Ja, das bin ich? Was wollen Sie denn so spät noch?«
»Man sagte mir, Sie hätten ein Zimmer zu vermieten?«
Einen Augenblick folgte verdutztes Schweigen.
»Warten Sie, ich komme runter!«, rief sie dann.
Ich steckte mir wieder eine Zigarette an, um den widerlichen Gestank zu übertönen. Es dauerte fast zehn Minuten, bis sich ein Schlüssel in der Haustür drehte. Licht flammte auf, und ich wurde eingelassen. Eine hagere, kleine, abgearbeitete Frau empfing mich in einem verschlissenen Morgenmantel.
»Guten Abend«, sagte ich artig. »Entschuldigen Sie, dass ich Sie so spät störe, Mrs. Steaven. Mein Name ist Sam Cooks. Ich wollte das Zimmer bei Ihnen mieten.«
»Kommen Sie mit rauf, Mister Cooks.«
Es gab natürlich keinen Fahrstuhl, und wir kletterten schnaufend die ausgetretenen Treppen hinauf. Oben stand eine Wohnungstür offen, aus der mir ein muffiger Geruch entgegenwehte.
Die zweite Tür auf der linken Seite des Wohnungsflurs führte in das Gemach, das mein neues Domizil sein sollte. Die Frau knipste das Licht an und wies mit einer harten Gebärde auf die Einrichtung.
»Das ist es. Wenn’s Ihnen nicht gefällt…«
»Aber nein«, warf ich schnell ein. »Es ist recht hübsch hier.«
Es war auf alle Fälle sauber. Außer dem breiten Bett, einem Kleiderschrank und einem winzigen Waschbecken hinten an der Wand gab es einen Plüschsessel, einen ovalen Tisch, auf dem eine scheußliche Decke lag, zwei Rohrstühle und eine Kommode. Es hätte schlimmer kommen können.
»Was muss ich Ihnen bezahlen?«
»Zehn Dollar die Woche. Ich dachte…«
Sie verriet mir nicht, was sie sich gedacht hatte. Ich drücke ihr zwei Zehner in die Hand.
»Für die ersten beiden Wochen, Mrs. Steaven. Und vielen Dank, dass Sie
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