0165 - Bis zum letzten Atemzug
zwischen zwei eng stehende Pfosten, wischte mir mit dem Taschentuch die Hände troqken und fischte eine Zigarette aus dem Päckchen. Es dauerte eine Weile, bis es mir gelang, das Feuerzeug anzuschnipsen. Mit dem Handrücken deckte ich die Zigarette gegen den Regen ab. Trotzdem war das freie Stückchen, das ich ab und zu zwischen die Lippen schob, nach wenigen Zügen so aufgeweicht, dass mir der Tabak in den Mund kam.
In das eintönige Rauschen des Regens mischte sich das Gebrüll der Tiere. Stockdunkle Nacht umgab mich. Die Stangen der Korrals waren mehr zu ahnen, als zu sehen. Ich zählte die Querwege: eins, zwei drei, vier - beim nächsten rechts. Wieder eins, zwei drei und vier und rechts.
Längst war ich bis auf die Haut durchnässt. In den Schuhen stand das Wasser. Von den Augenbrauen tropfte es. Aus der Hutkrempe lief es wie ein kleiner Bach auf meinen Rücken.
Ich sah auf die Uhr. Fast Mitternacht.
Dabei hatte ich das Gefühl, schon eine gute Stunde unterwegs zu sein.
Meine Gedanken kreisten immer wieder um die eine Frage: Würden die Viehdiebe kommen? Und würden wir wenigstens eine brauchbare Spur von ihnen finden?
In einer Nacht wie dieser mussten sie eigentlich ihr Handwerk verrichten. Selbst der Strahl einer hochwertigen Taschenlampe vom FBI hätte die Nacht nicht weiter als vielleicht zehn Yards durchdrungen.
Um eins traf ich mich mit Phil an der verabredeten Stelle.
»Nichts«, seufzte er niedergeschlagen.
»Desgleichen«, brummte ich.
Wir schwiegen.
Phil riss mich aus meinen Gedanken.
»Dann wollen wir mal, was?«
Ich nickte. »Ja. In einer anderthalben Stunde wieder hier. Sa long!«
»So long!«
Wir marschierten wieder auseinander. Aber kaum hatten wir zwanzig oder fünfundzwanzig Schritte in die Dunkelheit hineingetan, da zischte irgendwo links eine Rakete in den Himmel. Sie barst und verschleuderte ein Meer weißer Funken. Schwaches Licht glomm auf, erlosch aber ziemlich schnell wieder.
Ich jagte nach links. Vor mir rannte einer.
»Phil?«, rief ich und vergaß ganz, dass er ja einen anderen Namen trug.
»Ja!«, tönte es schwach zurück.
Ich legte eine Kleinigkeit zu und holte auf. Ein gellender Schrei stand plötzlich in der Nacht. Ein Schrei, der einem das Blut gefrieren ließ. Wir blieben stehen und orientierten uns an der Richtung, aus der der Schrei kam.
»Dort!«, rief Phil und deutete voraus.
Wir hetzten weiter. Im Laufen riss ich die Taschenlampe aus der Hosentasche und knipste sie an. Ich war jetzt oft genug gegen Pfosten und Stangen gelaufen.
Das Vieh war durch die Rakete und den Schrei unruhig geworden. Überall muhte und grollte es dumpf. Als ob man sich in einem Hexenkessel befände. Das eigene Wort war nicht mehr zu verstehen.
Fast wären wir über ihn hinweggerannt. Im letzten Augenblick warfen wir uns beiseite und hielten uns an den Stangen fest. Ein paar Sekunden brauchten wir, um halbwegs wieder zu Atem zu kommen. Dann leuchtete ich wieder auf die Mitte des stangengesäumten Pfades zwischen den Korralen.
Ein Mann lag auf der nassen, pfützenbedeckten Erde. In seinem Rücken steckte der Griff eines Messers. Sein rechter Arm war ausgestreckt. Ich blickte genauer hin.
Tatsächlich. Er hatte mit letzter Kraft eine große 1 in die aufgeweichte Erde gekratzt. Sein Zeigefinger lag an der linken Spitze des Anstriches. Ich kniete nieder, um sein Gesicht erkennen zu können.
Es war der G-man Poolis.
***
»Eine große, arabische Eins«, murmelte Wagner, als wir nach ungefähr zwei Stunden im Einsatzwagen der Mordkommission saßen. »Was soll das bedeuten?«
Er hätte nicht danach zu fragen brauchen. Seit wir ihn gefunden hatten, seit die anderen Kollegen dazugekommen waren, seither zerbrach sich jeder von uns den Kopf. 1. Das ist eine Zahl. Was hatte Poolis in der letzten Minute seines Lebens mit einer 1 sagen wollen?
»Vielleicht sollten noch mehrere Zahlen hinzukommen?«, murmelte Phil.
Wagner nickte.
»Möglich. Aber selbst wenn, was soll-,ten sie dann bedeuten?«
Ich stieg aus. Wagner warf mir einen kurzen Blick zu und kam sofort hinterher.
Soeben trugen die Kollegen den Toten auf einer Bahre an uns vorbei zum Wagen des Schauhauses. Keiner von uns behielt den Hut auf, obgleich es immer noch in Strömen goss.
Ein G-man war gestorben. Morgen Nachmittag würde es in allen Zeitungen stehen. Poolis wurde davon nicht wieder lebendig. Ein anderer würde seine Dienstpistole und die Marke übernehmen.
Die Bahre quietschte, als man sie auf den Schienen in das
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