0165 - Die Bestien aus dem Geistersumpf
Gesichter der anderen.
Was sollten wir tun?
Professor Diefenthal ging einen Schritt vor und ergriff das Wort. Er machte es geschickt, als er sagte: »Ich kann dich sehr gut verstehen, Pfarrer Osenberg. Du und ich, wir entstammen einer Linie. Du bist mein Ahnherr, wir sind Verwandte, obwohl wir in verschiedenen Zeiten und auch Ebenen existieren. Deshalb möchte ich dich bitten, uns den Weg freizugeben, weil wir im Geistersumpf die Fässer bergen müssen. Wenn das geschehen ist, verschwinden wir und kommen nicht mehr zurück. Ist das ein Angebot?«
»Ja und nein.«
»Wieso?«
»Der Krug ist schon zerbrochen«, antwortete Pfarrer Osenberg. »Ihr könnt nichts mehr aufhalten, nur noch fliehen. Wir werden mit dem fertig, was geschehen ist. Wenn ihr in den Geistersumpf eindringt, werdet ihr die Folgen selbst zu tragen haben. Die Geister sind im Prinzip nicht gegen euch, aber sie sind auch nicht für euch. Wenn ihr den Sumpf betretet, werdet ihr auf sie stoßen, und ich weiß nicht, wie sie sich verhalten.«
»Was meinen Sie, Herr Sinclair?« fragte mich der weißhaarige Professor. »Kann man es wagen?«
»Wir müssen hin!«
Das war eine feste Aussage, und sie entsprach meiner Meinung.
»Ich habe euch gewarnt«, sagte der Pfarrer nur.
»Ja, das wissen wir. Du kannst uns trotzdem den Gefallen tun und die Geister bitten, uns nicht als Feinde zu betrachten. Mehr wollen wir nicht.«
Der Pfarrer, der schon seit Jahren tot war, nickte. Sein Mantel wehte, die Laterne in seiner Hand schwankte. Hinter der gelben Scheibe leuchtete Licht, obwohl keine Kerze zu sehen war. Ein magisches Phänomen.
»Ich habe deine Worte vernommen, Geisterjäger. Und trotzdem wäre es besser, wenn ihr umkehrt.« Mehr sagte er nicht, sondern wandte uns den Rücken zu und ging.
Wir schauten ihm nach.
Die Gestalt schwebte auf die rechts der Straße liegende, weite, grüne Fläche zu, die in trügerischer Ruhe dalag und deren Grashalme vom Wind gebeugt wurden.
Der alte Pfarrer glitt durch das Gras, als würde er von unsichtbaren Händen geschoben.
Dann war er plötzlich verschwunden.
Wir schauten uns an. Kommissar Mallmann wischte sich über das Gesicht. »Verdammt«, sagte er, »das war ein Ding. Daß er nicht geblufft hat, haben wir schließlich am eigenen Leibe erfahren müssen. Dieser Geistersumpf ist die Hölle.«
»Willst du hierbleiben Will?«
»Nein, auf keinen Fall.«
Die Diefenthals waren ebenfalls der Meinung des Kommissars. Auch sie wollten die einmal in Angriff genommene Aufgabe fortführen. Sie ließen sich nicht beirren.
»Fahren wir weiterhin mit zwei Wagen?«, erkundigte sich Will Mallmann.
Ich war dafür. »Sollte einer der Wagen, aus welchen Gründen auch immer, im Sumpf versinken, haben wir noch die große Chance, mit dem anderen wegzukommen.«
Ich erntete Zustimmung.
»Dann los«, sagte Professor Erwin Diefenthal. Seine Stimme klang ein wenig kratzig.
Dem Gesicht des Wissenschaftlers war anzusehen, daß er sich noch immer mit den Worten des Pfarrers beschäftigte.
Auch ich war überrascht von der Existenz dieser, sagen wir, guten Geisterwelt. Ich hoffte nur, daß sie sich irgendwann mal auf meine Seite schlagen würde.
Ich öffnete die Heckklappe des Golfs. Dort stand mein Koffer. Der Deckel klappte hoch, als ich die Verschlüsse berührt hatte. Ich trug nur meine Beretta und das Kreuz bei mir.
Im Koffer lagen der Dolch, die Gemme, die magische Kreide, die Bolzenpistole, die ich gern gegen Vampire einsetze.
Das Schwert, das einmal Destero gehört hatte und sich nun wieder in meinem Besitz befand, hatte ich in London gelassen. Es mußte auch ohne gehen. Auch die Dämonenpeitsche befand sich bei Suko. Er sollte nicht waffenlos herumlaufen, falls in England etwas passierte.
Dolch, Kreide, die Gemme steckte ich mir ein. Auch noch eine Ersatzberetta holte ich aus dem Koffer. Die Waffe hielt ich in der Hand und schaute die beiden Diefenthals an. »Hat einer von Ihnen schon mal geschossen?«
»Nein!« erwiderte der Professor.
Seine Tochter nickte zustimmend.
»Trotzdem wäre es besser, wenn einer von Ihnen die Waffe nimmt. Uns werden Gefahren begegnen.«
Vater und Tochter schauten sich an. Schließlich nickte Dagmar. »Geben Sie mir die Pistole, Herr Sinclair.«
Sie bekam sie, und ich erklärte ihr mit wenigen Worten die genaue Funktion.
Dagmar zeigte technisches Verständnis. Sie begriff schnell, was sie zu machen hatte.
»Und schießen Sie bitte nur im Notfall«, sagte ich mit allem Ernst in der
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