0166 - Das Werwolf-Mädchen
zu unterscheiden.
Endlich tauchte er dann auf und starrte verblüfft auf die abenteuerlich aussehende Gruppe. »Was ist denn hier passiert?« fragte er verblüfft. Dann aber sah er im aus dem Korridor fallenden Licht die Symptome.
»Sofort herein«, forderte er und schnürte den Morgenmantel enger zusammen. Offenbar hatte er tatsächlich schon geschlafen. »Ich kümmere mich sofort um Sie.« Stirnrunzelnd sah er Yardin an. »Eine Schiffskatastrophe, Inspektor?«
»So etwa«, wich Yardin aus. »Die Leute haben schwimmend gerade noch die Küste erreichen können und hatten Glück, daß ich mit einigen Begleitern in der Nähe war. Da draußen ist eine Yacht in die Luft geflogen.«
»Oh«, stieß der Arzt hervor.
»Ich muß noch jemanden holen«, sagte Yardin. »So viele Leute paßten nicht auf einen Schlag in den Wagen.« Kurz lag seine Hand auf Rene Levilles Schulter. »Eine fantastische Schwimmerin muß sie sein, daß sie vor Ihnen, noch dazu so lange vor Ihnen, das Ufer erreichte, und Sie sehen immerhin auch nicht gerade schwächlich aus.«
Damit verschwand er. Etwas erstaunt sah Leville ihm nach. »He, Inspektor, das muß ein Irrtum sein«, rief er hinter ihm her. Doch Yardin hörte es bereits nicht mehr.
Rene Leville kannte jeden seiner Gäste persönlich, die er zu der Mitternachts-Tour eingeladen hatte.
Aber dieses fremde weißblonde Mädchen hatte nicht dazu gehört.
Pierre Yardin war bereits verschwunden. Aber in Leville begann sich ein Verdacht zu regen.
Ein furchtbarer Verdacht…
***
Zamorras Blicke glitten immer wieder zu dem fremden Mädchen, das sich Lupina nannte. Er wußte selbst nicht, weshalb sie plötzlich Zentrum seines Interesses geworden war. Nicole bemerkte es natürlich, deutete es aber anscheinend falsch. Ihre Blicke waren deutlich eifersüchtig.
Monique hatte ihre Stiefel wieder angezogen. Die Party war vorbei, ehe sie begonnen hatte. Hin und wieder warf sie noch einen Blick auf das Wasser, aber ihr ursprünglicher Plan des Mondschein-Bads existierte nicht mehr. Die Stimmung war verdorben durch das, was draußen auf dem Wasser geschehen war.
Lupina hatte sich auf einem der Felsen niedergelassen. Ihr Blick ging in die Ferne. Sie war irgendwie geistig abwesend. Das weiße Mondlicht ließ ihre Haut schimmern. In Zamorra begann sich etwas zu regen.
Warum hatten alle anderen unter Unterkühlungserscheinungen gelitten und ausgerechnet sie nicht?
Von weit her glaubte er wieder Wolfsheulen zu hören, aber er war sich nicht völlig sicher. Es konnte auch eine überreizte Nervenreaktion sein.
Schließlich gab er sich einen Ruck. »Wir sollten langsam losgehen«, schlug er vor. »Dann braucht Yardin nicht extra wieder bis hierher zu kommen. Wir können ihn an der Straße erwarten.«
»Das ist eine vernünftige Idee«, stellte Nicole fest. »Trägst du den Kasten?«
Zamorra fügte sich in das Unvermeidliche, packte den Pappkarton mit den Flaschen und klemmte ihn sich unter den Arm. Dann setzte er sich in Bewegung, Nicole und Monique folgten ihm.
Vorn löste sich Lupina vom Felsen, auf dem sie gesessen hatte. Sie hatte Zamorras Worte gehört und ging jetzt voran. Der Professor betrachtete ihren schlanken, aufregenden Körper im Mondlicht, während sie sich mit der Geschmeidigkeit eines Raubtiers auf dem Pfad bewegte.
»Hoffentlich fallen dir nicht die Augen aus dem Kopf«, zischte Nicole leise hinter ihm.
Zamorra grinste. So hatte er Nicole noch nicht erlebt. »Noch eine solche Bemerkung, und ich versohle dir den süßen Po«, drohte er an. »Die Frau interessiert mich nicht im Mindesten.«
»Wenn ich Mann wäre, würde sie mich schon interessieren«, murmelte Nicole. Zamorra schüttelte heftig den Kopf. »Was für ein Glück, daß du kein Mann bist!« stellte er fest.
Sie passierten jenen Felsbrocken, der eine verblüffende Ähnlichkeit mit einer Schildkröte besaß und daher meistfotografiertes Objekt dieses Landstrichs war. Kein Tourist, der eine Kamera mit sich schleppte, konnte ruhig an diesem seltsamen Stein vorübergehen.
In dieser Nacht achteten sie nicht auf die skurrile Form. Unten vor ihnen tauchte die Straße auf.
Jäh verharrte Lupina. Zamorra wäre fast gegen sie geprallt. »Was ist?« fragte er ungehalten.
Das Mädchen deutete mit ausgestrecktem Arm auf die Straße hinaus. Sie war von dieser Stelle aus gut zu übersehen.
In der Ferne erschien ein Lichterpaar, und das leise Geräusch eines Motors wurde hörbar. Mit hoher Wahrscheinlichkeit der zurückkehrende
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