0167 - Kampf der schwarzen Engel
ihr eigen Fleisch und Blut hier im Keller versteckt, wahrscheinlich, weil er zu gefährlich war.
Ich erhob mich. »Wie sieht es aus?« fragte ich die Frau.
»Sie können hoch.«
Das tat ich auch. In den Knien federte ich durch, dann stieß ich mich ab, sprang, und es gelang mir, meine Hände um den Rand der Luke zu klammern.
Mit einem Klimmzug zog ich mich hoch, wobei ich neben der Frau stehenblieb.
Ich brachte ihr zwiespältige Gefühle entgegen. Einerseits mußte ich ihr dankbar sein, daß sie mich vor den Verfolgern versteckt hatte, andererseits hatte sie mich in eine weitere Lebensgefahr gebracht, denn mit einem bewaffneten Geistesgestörten auf engstem Raum zusammenzuhocken, ist nicht gerade ein Kinderspiel.
»Luigi«, rief sie. »Bleibe ruhig. Ich komme gleich zu dir.« Mit diesen Worten schloß sie die Luke wieder.
Ich schwieg und schaute der Frau zu, wie sie sich vor dem primitiven Holztisch niederließ. Ihr Gesicht wurde vom Schein der Kerzen angeleuchtet.
Ich erkannte, daß die Frau allerhand mitgemacht hatte. Das Leben hatte sie gezeichnet. Falten, Runzeln, sie wirkten wie eine Landkarte auf der Haut.
Ich zog das Messer und legte es auf die Fensterbank. »Damit hätte mich ihr Sohn fast getötet«, sagte ich.
Sie hob die Schultern.
»Wollten Sie mich umbringen lassen?«
»Nein, Signore.«
»Dann geben Sie Ihrem Luigi auch nicht so eine gefährliche Waffe in die Hand.«
»Er braucht sie.«
»Wofür?«
Sie hob den Kopf. Ihr Mund bestand aus nur zwei dünnen Strichen, Lippen konnte man sie kaum nennen. »Ich gebe ihm zu Essen. Der Junge muß das Fleisch schneiden.«
»Oder andere töten.«
»Nein, das hätte er nicht getan.«
»Ich habe es rechtzeitig verhindern können«, hielt ich ihr entgegen.
»Es tut mir leid. Der Herr wird mir verzeihen.«
Ich wunderte mich, den Namen Gottes in diesem Ort zu hören, wo doch alles auf Schwarze Magie ausgerichtet war. Diese Verwunderung sprach ich auch aus.
Da lachte die Frau bitter auf. »Nein, nicht alle Menschen folgen den schwarzen Engeln. Die Frauen nicht, sie verbergen sich in ihren Häusern und dürfen nur heimlich auf die Straße. Sie wollen mit den beiden Engeln nichts zu tun haben, aber die Männer, die folgen ihnen, die beten sie an.«
»Und Ihr Sohn?« fragte ich.
»Luigi war Küster in diesem Dorf. Er war beliebt und sehr gottesfürchtig. Dann kamen die schwarzen Engel, und er stellte sich gegen sie. Sie haben sich gerächt und ihm den Verstand genommen. Ich kann mich noch genau an den Tag erinnern. Don Causio kam mit einem Wagen. Es war ein vergitterter Käfig. Dort sah ich meinen Sohn. Er tobte und schrie. Die anderen lachten, als sie die Käfigtür öffneten und mir meinen Sohn einfach vor die Tür warfen wie einen schmutzigen Lappen. Dabei kamen sie sich noch barmherzig vor, weil sie ihn nicht getötet hatten. Aber es wird eine andere Zeit kommen, dessen bin ich mir sicher. Eine Zeit der Rache und der Abrechnung. Dann sollen die anderen erleben, wie es ist, wenn man gedemütigt wird.« Sie schaute mich an, und ich nickte meine Zustimmung.
»Ich habe eine Kirche gesehen«, sagte ich. »Hat Nareno keinen Pfarrer mehr?«
»Es ist ein noch traurigeres Kapitel«, erwiderte die verhärmte Frau. »Wir haben einen Pfarrer. Auch er lebt noch, aber er kann nichts tun, denn sie haben ihn geblendet!«
Ich zuckte zusammen. Was diese Frau mir da innerhalb von zwei Minuten mitgeteilt hatte, war verdammt schlimm.
Der Pfarrer geblendet, der Küster geistesgestört. Die schwarzen Engel und ihre Helfershelfer wußten, wie sie sich die Gegner vom Hals schafften.
»Aber er ist normal – oder?« wollte ich wissen.
»Ja, das schon.«
»Dann könnte ich mit ihm sprechen?« Die Frau schaute mir ins Gesicht. »Was wollen Sie, Fremder? Fliehen Sie, bleiben Sie nicht. Sie können den Kampf nicht gewinnen. In dieser Stadt gibt es keine Freunde.«
»Ich habe eine Aufgabe zu erfüllen und werde sie auch durchführen«, erwiderte ich.
»Sie sind todesmutig.«
»Kaum, wenn Sie mir helfen, wird es vielleicht klappen.«
»Wie sollte ich Ihnen helfen? Ich bin eine alte, ausgebrannte Frau, ich kann nichts mehr.«
»Bringen Sie mich mit dem Pfarrer zusammen.«
»Das geht nicht.«
»Und warum nicht?«
»Wir müßten durch das Dorf. Man würde uns sofort sehen, und dann wären wir erledigt. Das kann ich nicht riskieren, weil ich auf meinen Sohn achten muß.«
Das verstand ich gut und sagte es auch der Frau. Danach bat ich sie, mir den direkten Weg zur
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