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017 - Der Engel des Schreckens

017 - Der Engel des Schreckens

Titel: 017 - Der Engel des Schreckens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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freundlich.
    »Es handelt sich nämlich um das hier« - das Mädchen griff in die Schürzentasche und zog einen kleinen, glänzenden Gegenstand heraus, den es Lydia hinreichte.
    ›Das hier‹ war ein kleines silbernes Kreuz, so klein, daß es mit einem Fünffrankstück bedeckt werden konnte, und durch langes Tragen abgegriffen.
    »Als wir gestern morgen das Bettzeug - ich möchte nur wissen, wer diesen Streich ausgeführt hat - herausnahmen, haben wir das hier in den Laken gefunden. Niemand glaubte, daß das armselige Kreuz Ihr Eigentum sein könnte, bis mir heute morgen der Gedanke kam, es wäre vielleicht ein Andenken.«
    »Das haben Sie in den Laken gefunden?« fragte Lydia überrascht.
    »Ja, Madame.«
    »Es gehört mir nicht, aber möglicherweise Mrs. Cole-Mortimer. Ich werde sie nacher fragen.«
    Mrs. Cole-Mortimer war fromme Katholikin. Das kleine Kreuzchen konnte eines ihrer geweihten Andenken sein. Lydia steckte es in ihre Handtasche, vergaß aber, mit Mrs. Cole-Mortimer darüber zu sprechen.
    Sie fuhr allein nach Nizza. Jean hatte es vorgezogen, zu Hause zu bleiben, und Lydia war über ein so seltenes Alleinsein nicht ungehalten.
    Das Krankenhaus lag auf dem Gipfel eines Hügels, und Lydia hatte verschiedene Schwierigkeiten zu überwinden, um außerhalb der Besuchsstunden Einlaß zu erhalten. Nach dem Bericht des Oberarztes befand sich das Kind auf dem Wege der Besserung; die Mutter war noch immer in der Isolierbaracke.
    »Darf man sie sehen?«
    »Ja, Madame«, entgegnete der zuvorkommende Franzose. »Aber Sie dürfen natürlich nicht in ihre Nähe kommen. Es wird Ihnen fast wie ein Besuch im Gefängnis vorkommen, denn die Patientin steht hinter einem Gitter und Sie hinter einem anderen.«
    Lydia wurde in einen Raum geführt, der wirklich an das Sprechzimmer eines Gefängnisses erinnerte. Er war zwar nicht durch zwei Eisengitter abgeteilt, aber zwei hohe Drahtnetze trennten den Besucher vom Patienten. Nach kurzer Zeit brachte eine Nonne die Gärtnersfrau herein, eine große, hagere Frau aus Marseille, die den verwirrenden Dialekt dieser Stadt sprach. Es verging einige Zeit, bis Lydia sich an die hastige, schwerverständliche Sprache gewöhnt hatte.
    Ihrem Jungen gehe es ja, die heilige Jungfrau sei gepriesen, besser, aber sie selbst habe so schreckliche Sorgen. Kein Geld für die besondere Nahrung, die ihr verordnet sei, ihr Mann in Paris und schon seit Wochen keine Nachricht, und sie mit all den anderen Kranken zusammen; lebend werde sie hier nicht herauskommen, das wisse sie genau.
    Lydia steckte durch das Drahtnetz der Nonne eine Fünfhundertfrankennote zu.
    »Und Madame«, jammerte die Frau, »mein armer Kleiner hat das Geschenk der Hochehrwürdigen Mutter von San Supplice verloren! Das kleine Kreuz, das von Seiner Heiligkeit dem Papst selbst geweiht worden ist! Ich hatte meinem Jungen das Kreuzchen gelassen, damit er schneller geheilt würde, und jetzt ist es weg. Ich bin sicher, die Ärzte, die Diebe, haben es ihm weggenommen.« »Ein Kreuz?« frage Lydia. »Was für ein Kreuz?« »Ein silbernes, Madame; es war ja nichts wert - an Geld, und doch ist es unschätzbar. Der kleine Xavier -«
    »Xavier?« fragte Lydia, die sich erinnerte, ein ›X‹ auf dem kleinen Schmuckstück gesehen zu haben, das man in ihrem Bett gefunden hatte. »Warten Sie einen Augenblick.« Sie öffnete ihre Handtasche und nahm das -kleine Kreuzchen heraus, bei dessen Anblick die Frau in Freudentränen ausbrach.
    »Das ist es, Madame! Das ist das Kreuz! Wie kann ich Ihnen danken, Madame! Mein Herz ist so voll -«
    Der Arzt begleitete Lydia bis an den Wagen, aber sie hörte kaum auf seine Worte - ihre Gedanken waren mit dem Geheimnis beschäftigt, das den unscheinbaren Schmuck umgab.
    Das Kreuz gehörte dem kleinen Xavier, war ihm von seiner Mutter in das Bett gelegt worden, als sie glaubte, er liege im Sterben - und war dann in ihrem, Lydias, Bett gefunden worden! Der Kleine mußte also in ihrem Bett gelegen haben! Ihr Fuß stand auf dem Trittbrett des Autos, als ihr ganz plötzlich die Bedeutung des nassen Bettes, der leeren Wasserstoffsuperoxyd-Flasche klar wurde. Xavier war in ihr Bett gelegt worden! Jemand mußte gewußt haben, daß ihr Bett infiziert worden war, hatte Wasser darauf gegossen, um zu verhindern, daß sie sich in das Bett legte. Aber wer? Der alte Jaggs!
    Lydia stieg ein und fuhr die Grande Corniche entlang nach Cap Martin zurück.
    Wer hatte das Kind in ihr Bett gelegt? Allein hätte es nicht von dem Häuschen

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