017 - Der Engel des Schreckens
den Garten.
Zehn Minuten vergingen, zwanzig, und sie kamen nicht zurück. Mr. Briggerland wurde unruhig. Er stand auf, legte sein Buch beiseite und war schon halb durch das Zimmer, als sich die Tür öffnete. Jack Glover, gefolgt von dem Inspektor, trat zur Tür herein.
Der Franzose ergriff das Wort.
»Monsieur Briggerland, im Namen des Präfekten der Seealpen verhafte ich Sie!«
»Mich verhaften?« rief er mit klappernden Zähnen. »Warum denn - wessen beschuldigt man mich denn?«
»Des Mordes an Francois Mordon!«
»Unerhört - verdammte Lüge«, schrie Briggerland. »Ich weiß nichts von -« Seine Worte erstarben in einem Röcheln, er starrte an dem Detektiv vorbei.
Lydia Meredith stand auf der Türschwelle.
Kapitel 39
Der Morgen war voller Enttäuschungen für Mr. Stepney; wieder und wieder zog er die Angelleinen leer heraus, bis er sie schließlich mißmutig in das Boot warf.
»Nicht einmal die verdammten Fische wollen anbeißen«, brummte er, und der Doppelsinn seiner Bemerkung heiterte ihn etwas auf. Er war über zehn Meilen von der Küste entfernt, die sich in leichten, verschwommenen Linien vom Horizont abhob. Marcus holte den großen Frühstückskorb aus der Kabine und sah ihn mürrisch an.
Zweihundert Franken hatte er bezahlen müssen und wofür? Er schlug den Deckel zurück und war beim Anblick des verlockenden Inhalts geneigt, seine erste Meinung zu ändern. Das Geld war doch nicht so ganz fortgeworfen; der umsichtige Oberkellner seines Hotels hatte sogar zwei halbe Flaschen Champagner einpacken lassen?
Mr. Marcus Stepney aß gemächlich, und als er die erste leere Flasche in die See geworfen hatte, waren seine Stimmung und seine Ansicht über das Leben im allgemeinen bedeutend besser geworden. Er packte die Reste ein, schob den Korb unter einen der Sitze, zog den Anker auf und kurbelte den Motor an.
Der Himmel erschien ihm blauer und die See noch schöner als am Morgen, und sogar seine Meinung über Jean Briggerland besserte sich etwas.
»Kleine Hexe«, sagte er lächelnd vor sich hin.
Dann öffnete er die zweite Flasche Champagner und trank feierlich auf das Wohl von Jean Briggerland. Die Sonne stieg höher, und er wurde schläfrig, war aber vernünftig genug, um sich zu sagen, daß ein Nachmittagsschläfchen mitten im Meer gefährlich sein könnte; er steuerte die »Jungle Queen« auf die nächste Bucht zu, in der Hoffnung, einen guten Landungsplatz zu finden.
In der Nähe der Küste fand er aber etwas viel Besseres. See und Stürme hatten im Lauf der Jahrhunderte eine tiefe Höhlung in eine steile Klippe gefressen, groß genug, um dort die »Jungle Queen« unterbringen, und tief und still genug, um sie dort sicher verankern zu können. Eine Kette kleiner Felsenriffe brach den Ansturm der Wogen, und so lag dieser kleine Hafen ruhig und ungestört. Als er den Anker fallen ließ, sah er in dem kristallklaren Wasser einen Schwärm Fische auffahren. Seine Anglerinstinkte erwachten. Er ließ seine Leine hinunter, setzte sich behaglich in einen der beiden großen Korbstühle und schlummerte ein ...
Der Knall eines Schusses weckte ihn auf. Ein zweiter, ein dritter folgten kurz hintereinander. Beinahe im gleichen Augenblick fiel etwas von der Klippe herab - das Wasser spritzte hoch auf - und verschwand in der Tiefe.
Marcus war sofort wach und munter und sah die Gestalt einer Frau, die langsam wieder auftauchte. Ihr Gesicht wandte sich ihm zu. Es war Lydia! Ohne einen Augenblick zu zögern, sprang er ins Wasser.
Er hätte besser getan, zu warten, bis sie wieder an die Oberfläche kam, denn er hatte jetzt große Schwierigkeiten, mit seiner Last das Boot zu erreichen. Er ergriff eines der Taue an Bord, schlang es um die Hüfte Lydias und band sie fest. Dann kletterte er selbst ins Boot und zog sie herein. Zuerst glaubte er, sie sei tot; da aber vernahm er ihren leisen Herzschlag. In dem Frühstückskorb fand sich eine Flasche Brandy. Er flößte ihr etwas ein; sie sträubte sich, hustete krampfhaft und öffnete schließlich die Augen.
»Sie sind unter Freunden«, sagte Marcus unnötigerweise.
Langsam richtete sie sich auf und verbarg ihr Gesicht in den Händen. All der Schrecken, das Entsetzen der letzten Minuten waren ihr wieder zu Bewußtsein gekommen.
»Und nun erzählen Sie«, sagte Marcus freundlich. »Was ist denn passiert?«
»Ich weiß es selbst nicht genau«, antwortete sie schwach. »Aber es war schrecklich, furchtbar!«
Marcus Stepney bot ihr noch etwas Brandy an. Als sie den
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