0170 - Die Ratte von Harlem
löste sich der Schuß.
Ich fühlte noch, wie ich zu Boden fiel, und dann ging vorübergehend das Licht in meinem Kopf aus. Aber es kann nicht lange gedauert haben.
Plötzlich hörte ich Stimmen und sah die Schuhe eines Mannes vor mir. Ich hob den Kopf und blickte einem vierschrötigen Polizisten in die Augen.
»Helfen Sie mir auf, schnell«, lallte ich, noch immer benommen. »Wo ist er?«
»Wer denn? Was machen Sie überhaupt mit einer Pistole? He? Geben Sie mir das Ding mal sofort her!« herrschte er mich an.
»Cotton«, stotterte ich mit schwerer Zunge. »Jerry Cotton vom… vom… FBI.« Ich war unfähig, meine Arme zu heben.
Der Polizist tastete nach meiner Tasche, und gleich darauf hatte er meinen Ausweis in der Hand.
Er wies die Leute, die sich neugierig herandrängten, zurück und fluchte leise vor sich hin. Dann endlich stieß er einen schrillen, gellenden Pfiff durch seine Signalpfeife.
Ich streckte die Beine aus, richtete mich auf und lehnte den Oberkörper gegen die Glaswand der Zelle.
»Einssechsundachtzig«, lallte ich benommen vor mich hin.
»Er ist betrunken!« rief eine Frau.
»Natürlich, ein Besoffener. Und dann noch mit einer Kanone!« rief jemand.
»Ruhe!« knurrte der Polizist. »Der Mann ist vom FBI. Er ist hier überfallen worden…«
Sofort verstummte das aufgeregte Stimmengewirr.
Ein Mann beugte sich zu mir herab. Er hatte eine geöffnete Taschenflasche in der Hand und hielt sie mir an die Lippen.
»Whisky, er ist gut. Trinken Sie einen Schluck, Mister!«
Kaum hatte ich den ersten Schluck in der Kehle, als ich auch schon wieder klar war. Ich rappelte mich hoch, wischte mir den Staub von den Kleidern und zwängte mich völlig sinnloserweise durch die Menge hindurch.
Der vierschrötige Cop folgte mir.
»Der Kerl ist doch längst weg«, sagte er gemütlich.
Ich blickte ihn nicht gerade freundlich an. »Schicken Sie endlich die Leute weg.«
»Natürlich.«
Der Mann mit dem Whisky stand plötzlich wieder neben mir. »Noch einen Schluck, Mister?«
Ich sah ihn an. Er war fast so groß wie ich, hatte breite Schultern und tiefschwarzes Haar. Der helle Anzug stand ihm gut und betonte seine Figur vorteilhaft.
»Ich bin Howard Lincoln.«
Völlig unangebracht mußte ich lachen. »Gern.«
Er grinste freundlich. »Macht nichts«, sagte er.
Ich nahm seine Flasche, trank noch einen kräftigen Schluck, reichte sie ihm zurück und schüttelte dann seine Hand. »Danke. Ich bin Jerry Cotton.«
»Vom FBI?« fragte er.
Ich nickte.
»Ja, kennen Sie mich etwa?«
Er grinste wieder. »Nein, ich hörte nur, daß der Polizist es vorhin zu den Leuten sagte. Ich dachte, er schneidet auf.«
»Leider nicht.«
Lincoln schob mich unter eine Laterne.
»Was haben Sie vor?« fragte ich.
»Lassen Sie mich mal Ihren Kopf betrachten.«
»Weshalb denn?«
»Weil ein Blutfaden über Ihre Stirn rinnt.«
Ich gab ihm meine Taschenlampe.
Dann fühlte ich seine Finger auf meinem Schopf. Plötzlich hörte ich das Geräusch einer kleinen Schere.
»He, sind Sie des Teufels!« fauchte ich.
»Augenblick noch«, gab er gelassen zurück. Dann griff er in die Aktentasche, aus der er auch den Whisky geholt hatte, nahm ein kleines Fläschchen und träufelte mir ein paar Tropfen daraus auf die Kopfhaut.
Fast hätte ich aufgebrüllt.
»Schon vorbei«, sagte er mit der Ruhe eines Zahnarztes. Dann nahm er tatsächlich noch ein kleines Pflaster aus der'Tasche und klebte es auf meinen Schädel. »So, das hätten wir.«
»Und die Rechnung?« fragte ich, wobei ich vor Schmerz eine Grimasse schnitt.
»Die schicke ich dem FBI.«
Plötzlich bemerkte ich, daß der Polizist immer noch hinter uns stand. Ich winkte ihn heran. »Sie können gehen! Hier läßt sich doch nichts tun.«
»Ich muß noch warten«, sagte er murrend.
In diesem Augenblick hörte ich die Sirene eines nahenden Streifenwagens.
Bremsen kreischten, eine Frau schrie auf.
Ein anderer Wagen hatte so scharf stoppen müssen, daß seine vordere Stoßstange die Frau erfaßt hatte, die vor dem Trottoir stand.
Lincoln rannte sofort los.
Die Cops sprangen aus dem Wagen und wußten sekundenlang nicht, um was es ging. Dann endlich fanden sie in dem Durcheinander den Vierschrötigen.
Ein flachsblonder junger Mann kam auf mich zu. Inspektor O’Neill. Er betrachtete mich verblüfft und schüttelte den Kopf. »Wie oft treffen wir uns heute noch, Cotton?«
»Mir reicht’s?«, entgegnete ich. »Ihr ward übrigens verdammt schnell hier.«
»Soll das ein Witz
Weitere Kostenlose Bücher