0171 - Die Hexe vom Hyde Park
eiskalt blickten die Augen, kein Leben war in den Pupillen, der. Mund grausam verzogen.
In der rechten Hand hielt er die Schlinge. Sie pendelte im Rhythmus seiner Bewegungen.
Einmal nach links, dann nach rechts.
Die Schlinge warf durch das von oben einfallende Licht einen Schatten, der sich wiederum quer über Glendas Gesicht legte und sie mit den Augen zucken ließ.
Sie richtete sich halb hoch.
Das hatte Larissa gesehen. »Bleib liegen!« peitschte ihre scharfe Stimme.
Glenda zuckte zusammen und gehorchte tatsächlich. Sie wollte nicht noch einmal geschlagen werden.
Mit einem beinahe lässig anmutenden Schlag drosch der Henker die Arme des Mannes zur Seite, so dass er jetzt freie Bahn auf sein Opfer hatte.
Dann griff er zu.
Eine Pranke wühlte sich in die Kleidung Binghams. Trevor schrie. Der Henker schlug ihm die Schlinge quer über den Mund, und der Schrei des Verzweifelten erstickte.
Nur noch ein Schluchzen war zu hören.
»Schaff ihn her!« befahl die Hexe.
Der Henker folgte Larissas Befehl auf der Stelle. Er drehte den Mann herum und schleifte ihn über den Boden, wobei er seine Schlinge sorgfältig festhielt.
Dann befanden sich die beiden unter der Öffnung.
»Hoch mit ihm!«
Bingham fing an zu zappeln und zu schreien. Es nutzte ihm nichts. Er wurde hochgestemmt, was für den Henker ein Leichtes war, denn er besaß gewaltige Kräfte.
Schließlich war er oben.
Der zweite Henker bückte sich und legte Bingham blitzschnell die Schlinge um den Hals.
Sie paßte haargenau.
Wie unter Zwang öffnete Glenda Perkins die Augen. Obwohl die Tränen ihren Blick noch verschleierten, bekam sie mit, wie Bingham über ihr zur Seite gezerrt wurde.
Sie hörte sein Schreien und Röcheln, sein Wimmern und Flehen, und sie biß so hart die Zähne zusammen, dass es knirschte. Glenda fühlte sich sehr hilflos. Wenn sie eine Waffe gehabt hätte, dann hätte sie eingegriffen, aber so war sie den unheimlichen Gestalten wehrlos ausgeliefert.
Plötzlich wurde es still.
Auch Glenda hielt den Atem an.
Dann die Stimme der Hexe. Kalt klang sie und voller Triumph. »Hängt ihn auf!«
Glenda hielt sich die Ohren zu. Sie wollte einfach nichts mehr hören.
Doch sie hätte auch die Augen schließen müssen. Sie sah zwar nicht den Mann, aber dessen Schatten.
Gespenstisch zuckte er am Lukenrand hin und her…
***
Wir waren wieder zum Hyde Park gefahren. Inzwischen hatte sich die Dunkelheit über London gelegt, was aber nicht hieß, dass die Stadt zur Ruhe kommen würde. Jetzt begann das zweite Leben der Millionenstadt.
Da wurde in manchen Stadtteilen die Nacht zum Tage. Besonders in Soho schlugen die Wellen nun über.
Der Hyde Park selbst hatte sich geleert. Bei Dunkelheit trieben sich nur noch wenige Spaziergänger herum oder Pärchen, die lauschige Ecken suchten. Es war allerdings auch gefährlich, die riesige Anlage bei Dunkelheit zu durchqueren, denn in den versteckten Winkeln und Nischen lauerten zahlreiche Dealer und nicht selten Gewaltverbrecher.
Das alles wusste ich natürlich, aber ich konnte mich meiner Haut auch wehren.
Wir hatten meinen Bentley genommen und fuhren die Serpentine Road entlang. Lady Sarah hockte neben mir, ließ ihr Gesicht vom kühlen Luftzug streicheln und lächelte still vor sich hin. Ihr gefiel die Fahrt.
»Was ist denn?« fragte ich sie. »Warum freuen Sie sich so?«
»Ich musste gerade an meinen zweiten verstorbenen Mann denken, der große Lord habe ihn selig, er fuhr zwar keinen Bentley, aber einen sehr guten Rolls. In diesem Wagen roch es ähnlich wie bei Ihnen hier.«
»Wie denn?«
»Nach Leder.«
Ich hatte in der Tat Ledersitze, aber daran dachte ich gar nicht mehr.
Ich hatte mich so an das alte Schätzchen gewöhnt, dass ich so etwas überging.
Der Bentley hatte tatsächlich seine Jahre auf dem Buckel, doch um mir einen neuen zu kaufen, fehlte mir das Geld. Es war schon der zweite. Ich hatte mir vorgenommen, ihn mindestens 12 Jahre zu fahren.
Im Park war es im Vergleich zum Nachmittag still. Wir hörten sogar das Zwitschern der Vögel. Nur einmal wurden wir von vier Motorradfahrern überholt. Doch die belaubten Bäume schluckten sehr schnell das Knattern der Maschinen.
Seidenweich rollte der Wagen. Wir konnten sogar das Zirpen der Grillen vernehmen, dieses schrille Konzert, das im Sommer den einsamen Spaziergänger begleitet.
Ich hatte mir vorgenommen, bis dicht an den See zu fahren und dort den Wagen abzustellen. Aus dem Buch wußten wir, dass sich der makabre Vorgang
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