0171 - Die Hexe vom Hyde Park
dort abgespielt hatte.
Ich musste mich erst an das Bild gewöhnen, das meine Beifahrerin bot. Normalerweise hockte Suko immer auf dem zweiten Sitz, wenn es gegen unsere Feinde ging, aber heute hatte ich Lady Sarah Goldwyn mit. Eine wirklich seltene Ausnahme.
Bei dem Gedanken an Suko fiel mir etwas ein. Ich nahm den Hörer des Autotelefons und tippte die Nummer.
»Rufen Sie jetzt Ihre Freundin an?« fragte mich die Horror-Oma.
»Nein, einen Freund.«
»Noch schlimmer.«
Ich lachte. Bei Suko hob niemand ab. Kein Wunder. Er und Shao wollten nicht nur den Tag auskosten, sondern auch die schwüle Nacht.
Ich gönnte es ihnen.
Links von uns glitzerte das Wasser des schlauchförmig verlaufenden Sees. Das von einem blassen Halbmond abgegebene Licht fiel auf die Oberfläche und schuf blitzende Reflexe auf den Wellen, die entstanden, wenn der leichte Wind über das Wasser fuhr.
»Da vorn ist eine Lücke«, sagte die Horror-Oma.
Auch ich hatte sie gesehen. Im Schein der blassen Scheinwerfer, wo auch zahlreiche Insekten ihre Tänze aufführten, hatte ich eine Abzweigung gesehen. Direkt an der Ecke stand das bekannte Schild, das auf einen Parkplatz hinweist.
Ich betätigte den Blinker und lenkte den Wagen in den schmalen Weg, der sehr schnell einen Knick nach links machte und auf einer etwas sandigen Fläche endete dem Parkplatz.
Wir waren nicht die einzigen. Ich hätte auch besser die Scheinwerfer abschalten sollen, denn als das Licht über eine Reihe von Wagen huschte, zuckte ein Pärchen zusammen, und für einen Moment sah ich den nackten Rücken eines Mädchens.
Dann umgab uns wieder die Dunkelheit, denn ich hatte die Lampen tatsächlich gelöscht.
Natürlich hatte auch Lady Sarah die beiden gesehen. Sie schüttelte den Kopf. »Die jungen Leute heute…«
»Wie haben Sie das denn früher gemacht?«
Da lächelte sie verschmitzt, schaute mich an und sagte: »Nicht anders, John. Aber sagen Sie’s keinem.«
»Ehrenwort.«
»Nur hatten meine Freunde keine Autos. Bei uns brauchte man noch etwas mehr Fantasie. Wir sind von manchem Regenschauer überrascht worden.«
Ich musste lachen.
Gemeinsam schlenderten wir zurück. Das aufgeschreckte Pärchen war wieder mit sich selbst beschäftigt.
Dunkel lag der See vor uns. Obwohl er ziemlich schmal ist, konnten wir das andere Ufer nicht sehen. Wir vernahmen Musik und Stimmen. In zahlreichen Lokalen wurde noch gefeiert. Das ging so bis zum frühen Morgen hinein.
Wo wir uns aufhielten, war es still. Kaum ein Mensch ging den Weg, vielleicht wegen der vielen Mücken oder der Polizisten, die plötzlich vor uns auftauchten.
Wir blieben stehen und wurden angeleuchtet.
»Nehmen Sie die Lampe runter, Officer«, sagte ich.
»Ein seltsames Paar. Ist das Ihre Oma, Meister?«
»Werden Sie nicht unverschämt!« schimpfte Sarah Goldwyn. Ihre Stimme übertönte das Flüstern des anderen Polizisten, der seinem Kollegen etwas mitteilte.
Der räusperte sich verlegen und fragte mich dann: »Sind Sie wirklich Oberinspektor Sinclair?«
»Ja, in Lebensgröße sogar.«
»Dann entschuldigen Sie vielmals, ich…«
»Geschenkt. Aber seien Sie in Zukunft etwas höflicher zu den Passanten. Die bezahlen schließlich Ihren Sold. Genau wie den meinen.«
Damit ließ ich die Polizisten stehen und ging mit der Horror-Oma davon, die sich leise lachend die Hände rieb.
»Denen haben Sie es aber gegeben«, sagte sie.
Ich hob nur die Schultern.
Wir gingen weiter. Eigentlich war es Unsinn, hier herumzuspazieren, dachte ich. Was suchten wir eigentlich? Eine Hexe, die vielleicht in eine ganz andere Dimension geflohen war und sich dort ins Fäustchen lachte?
Ich dachte wieder an Glenda. Sie war in einen Strudel hineingeraten, aus dem sie allein nicht mehr herauskam. Nur, wie sollte ich ihr behilflich sein? Wir hatten wirklich so gut wie keinen Anhaltspunkt, und die Geschichte mit dem Hexenjäger hatte sich vor mehr als 200 Jahren abgespielt. Wie sollte man da heute noch Spuren finden?
Plötzlich merkte ich es und blieb stehen.
Sarah Goldwyn ging einen Schritt weiter, dann drehte sie sich um.
»Was ist, John?«
»Mein Kreuz reagiert.«
»Was?«
»Ja, hier muß sich irgendwo ein magisches Feld befinden, das mit den Kräften des Kreuzes in Widerspruch steht. Auf jeden Fall ist es in der Nähe.«
»Dann wird es durch das Kreuz vielleicht zerstört«, vermutete die Horror-Oma.
»Das will ich nicht hoffen.« Vorsichtig ging ich weiter. Setzte langsam einen Fuß vor den anderen und spürte, dass
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