0177 - Der Gangster, dem New York gehörte
Fence konnte kein Mensch mehr etwas tun, ausgenommen der Besitzer eines Bestattungsinstituts. Der Schuss in die Schulter war so harmlos, wie ich vermutet hatte, aber die zweite Kugel war ein glatter Kopfschuss. Die eigene panische Angst hatte den dicken Mann in den Tod gestürzt. Hätte er in der Deckung ausgehalten, so wäre ihm nichts geschehen.
Natürlich wusste ich, wer der Auftraggeber war. Was nützte das? Ich fuhr nicht einmal selbst zum Atlantic Hotel. Ich schickte einen unserer Leute hin, und er kam prompt, wie ich es erwartet hatte, mit der Meldung zurück, dass Carel Kenneth lange vor dem Mord auf sein Zimmer gegangen war und es nicht verlassen hatte.
Ich ließ Kenneth am Morgen holen und durch einen Vernehmungsbeamten 28 verhören. Er war nicht zu greifen. Wie ein Aal rutschte er uns durch die Finger. Was hatte er mit der Sache zu tun? Er kannte 'Raoul Vesters nicht. Er kannte Clark Fence nicht. Der Zettel mit der Drohung und seinem Namen? Er hatte ihn nicht geschrieben. Er konnte nicht verhindern, dass irgendwer den Namen Kenneth missbrauchte. Oder wollte das FBI ihn dafür verantwortlich machen, dass sein Bruder Gregor zu Lebzeiten als Gangster gegolten hatte? Wenn das FBI glaube, ihn wegen der angeblichen oder wirklichen Taten seines Bruders vor Gericht bringen zu können, so hätte er nichts dagegen. Bisher wäre er allerdings der Meinung gewesen, dass solche Sippenhaft nur in totalitären Ländern, nicht aber in den freien Staaten der USA üblich wären.
Ich fand das Protokoll des Verhörs auf meinem Schreibtisch, als ich am Spätnachmittag ins Office kam. Ich las es durch. Es war hoffnungslos. Es bestand keine Aussicht, einen Haftbefehl gegen Carel Kenneth zu erwirken.
Alles, was ich tun konnte, war, dass ich ihn unter Überwachung stellen ließ. Ich rief den Chef der Abteilung an. Er versprach es mir. Er hatte ja jetzt die Leute, die den dicken Fence beschattet hatten, frei.
***
New York vergisst die Toten rasch. Der Mord an Clark Fence und der Tod des Mörders durch eine FBI-Kugel wenige Minuten nach der Tat wurden nur dadurch zu einer Zeitungssensation, weil Raoul Vesters kurz vor der Tat von einer Mordanklage freigesprochen worden war. In ein paar Zeitungsausgaben wurde groß und breit darüber geschrieben, aber nach vierzehn Tagen sprach kein Mensch in der Öffentlichkeit mehr von der Sache.
Am Broadway änderte sich nichts.
Ich verfolgte sehr sorgfältig die Berichte, die die Broadway-Reviere der City Police uns schickten.
Wir lasen in den Berichten Sätze, wie etwa den folgenden:
Zwischen der 72. und 81. Straße soll ein Chicagoer Gangster aufgetaucht sein, der Red-Gun genannt wird.
Es war für uns nicht schwer festzustellen, dass es tatsächlich einen Gangster gab, der auf den Spitznamen Red-Gun hörte. Er hieß Slim Gunney, hatte eine lange Serie von Gewalttaten in Chicago hinter sich, und wenn er jetzt in New York auftauchte, so war er sicherlich nicht gekommen, um sich hier zur Ruhe zu setzen.
Red-Gun hatte übrigens nicht allein Chicago mit New York vertauscht. Die Broadway-Reviere berichteten von anderen Gangstern, die aus Chicago stammten.
Hank Belt kam, der erst vor zwei Wochen aus dem Gefängnis entlassen worden war. Er hatte in Chicago eine kleine, aber ungewöhnlich brutal vorgehende Bande von Gangstern kommandiert.
Ferner Rag Tyme, den die Unterwelt Kunstschütze nannte, weil er ursprünglich als Artist aufgetreten war, dann aber seine Fähigkeiten bedenkenlos in den Dienst der Gesetzesbrecher stellte.
Als vierter Name wurde Paolo Gonzales genannt, ein Amerikaner mexikanischer Herkunft. Seine Spezialität schien das Messer zu sein, und Gonzales hatte einen alten Freund mitgebracht, Kud O’Call, einen gefährlichen Schläger.
Ich telefonierte über die Gangsterinvasion mit dem Chef des FBI in Chicago.
»Ich bin froh, dass wir die Burschen los sind«, sagte er, »aber es tut mir leid, dass Sie sich jetzt mit ihnen herumschlagen müssen. Natürlich können Sie alles Material haben, über das wir verfügen, aber Beweise, die es ermöglichen, sie hinter Schloss und Riegel zu bringen, liegen nicht vor.«
»Ich hoffe, nicht Sie waren es, der die Fahrkarten für die Jungs gekauft hat«, brummte ich.
Er lachte. »Nein«, antwortete er, »aber wenn es notwendig sein sollte, bezahle ich die Fahrkarten für einige FBI-Beamte, die Ihnen helfen können. Wenn Red-Gun, Belt und die anderen in New York einen Boss finden, der über Ideen und Brutalität verfügt, dann bilden
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