0177 - Der Gangster, dem New York gehörte
glaube ich, nicht schlimm.« Seine Stimme klang so, als würde ihm das Atmen schwer.
»Bist du in Deckung?«
»Ja, ich habe mich zurückgerollt, aber ich habe meine Waffe verloren.«
Wenn ich die Nase ein wenig vorschob und den Kopf drehte, konnte ich in den' beleuchteten Teil des Ganges sehen. Harper musste hinter dem Mauervorsprung auf dem Podest liegen. Clark Fence sah ich als dunklen, mächtigen Schatten in der Türnische. Er schien sich auf die Knie niedergelassen zu haben. Jetzt streckte er einen Arm aus.
»Fence!«, rief ich.
Er schien mich nicht zu hören. Er beugte sich ein wenig weiter vor. Schon ragte sein Kopf aus der Deckung.
Ich begriff, was er wollte. Er versuchte, die Schlüssel zu erreichen, die mitten auf dem Gang lagen. Er muss vor Angst halb verrückt gewesen sein und besessen von dem Gedanken, dass er in Sicherheit wäre, wenn er in seine Wohnung gelangen könnte.
Ich brüllte: »Zurück, Fence, zurück!«
Ich sah genau, wie die Kugel ihn traf, und sie traf ihn in den Kopf. Sein Oberkörper schnellte hoch, dann streckten sich seine Knie, und er fiel lang auf den Gang.
Ich schoss aus meiner Deckung hoch und raste in die Dunkelheit hinein. Es war einer dieser Augenblicke, in dem mir alles gleichgültig ist. Ich war von dem Gedanken besessen, den Mörder zu fassen. Es war Wahnsinn, was ich tat, und wenn der Schütze nur eine Sekunde länger auf seinem Platz geblieben wäre, so hätte ich meine eigene Beerdigung schon hinter mir.
Der Mörder flüchtete, als er seine Aufgabe erledigt hatte. Ich hörte, dass er mit großen Sätzen die Treppe des zweiten Aufgangs hinunterraste.
Ich hetzte hinterher. Ich nahm die Treppe in wahren Panthersprüngen, und ich sah den Mann zum ersten Mal, als er den Flur erreicht hatte. Hier brannte das Licht noch.
»Bleib stehen!«, schrie ich und riss die Smith & Wesson hoch. Er gehorchte nicht, vielleicht hörte er mich nicht einmal. Er rannte auf den Ausgang zu, der zum Hof führte.
Ich tobte ihm nach, erreichte den Hofausgang zwei Sekunden später und sah ihn, wie er quer über den Hof rannte, auf die Toreinfahrt zu, die zur Parallelstraße führte.
Normalerweise hätte zu dieser Stunde der Hof im Dunkeln gelegen, wenn auch der Himmel über New York schon den grauen Schimmer des beginnenden Tages zeigte, aber die Schießerei hatte alle Leute in den Häusern aufgeschreckt. Hinter vielen Fenstern brannte Licht. Der Schein fiel auf den Hof und erhellte ihn.
»Stehen bleiben!«, schrie ich zum zweiten Mal. »Ich schieße!«
Er schlug einen Haken wie ein Hase, aber ich setzte ihm einen Warnschuss vor die Füße. Da begriff er, dass er nicht davonkommen konnte, wenn er mich nicht loswurde. Er fuhr herum, und in seiner Hand blitzte es auf.
Dreißig Schritt sind für einen guten Pistolenschützen keine ungewöhnliche Entfernung, und er war ein guter Schütze. Das hatte er mit Clark Fences Kopfschuss unter den schlechten Lichtverhältnissen oben im Flur bewiesen. Jetzt freilich waren die Verhältnisse verändert. Er stand im Hellen, und ich befand mich noch in der Dunkelheit des Einganges. So traf er nicht, obwohl ich seine Kugel pfeifen hörte.
In solchen Situationen feuert man instinktiv zurück. Dennoch erinnere ich mich genau, dass ich tief zielte, um möglichst seine Beine zu treffen. Er muss sich in der genau falschen Sekunde hingeworfen haben. Wahrscheinlich wollte er sich in die Deckung stürzen, die einige Mülltonnen boten, die in seiner Nähe standen.
Meine Kugel riss ihn aus der Bewegung heraus. Sein Kopf flog hoch, als habe er einen schweren Kinnhaken bekommen. Dann fiel er schlaff wie eine Gliederpuppe auf das schmutzige Pflaster des Hofes.
Ich stieß den angehaltenen Atem aus und ging langsam zu ihm hinüber. Er lag auf dem Gesicht, die Arme vorgeworfen, und nur ein paar Zoll von seinen ausgestreckten Fingern entfernt lag seine Pistole. Ich brauchte ihn nicht umzudrehen, um ihn an seinem Gesicht zu erkennen. Ich hatte ihn schon an seinen Bewegungen und an seiner Gestalt erkannt. Es war Raoul Vesters, und ich fragte mich, warum ein so kalter und überlegter Berufskiller wie Vesters sich auf ein solches Risiko eingelassen hatte.
***
Ein paar Minuten später rückten die Unfallwagen, die Cop-Streifen und die Mordkommission an, nicht , zu vergessen die Kriminalreporter der großen Zeitungen.
Den armen Harper hatte es böse erwischt. Die Verwundung stellte sich als Lungendurchschuss heraus. Sie fuhren ihn im Eiltempo ins Krankenhaus.
Für Clark
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