0177 - Melinas Mordgespenster
zu, sie nickte und versprach, gleich vorbeizuschauen.
Aus dem gleich wurden fünf Minuten. Erst als eine Familie mit zwei Kindern meinen Tisch ansteuerte, addierte sie zusammen. Ich zahlte den Betrag und gab kein Trinkgeld. Mit Kopfnicken grüßte ich die Familie und verließ das Restaurant.
Das kühle Wetter ließ mich frösteln. In Wien war es wärmer gewesen.
Klimatisch hatte ich mich noch nicht umgestellt. Ich schloß den Bentley auf, stieg ein und rangierte aus der Parklücke. Bis zu meinem Ziel war es nur ein Katzensprung. Die nächst größere Stadt hieß Coldstream, und von dort aus gab es dann eine direkte Verbindung nach Lauder. Ich fuhr nach Coldstream hinein und kaufte einen Strauß Blumen. Den war ich meiner Mutter schuldig, weil ich mich doch so selten bei den alten Herrschaften sehen ließ.
Auf der Karte hatte ich einen Schleichweg entdeckt, den ich nehmen wollte. Schottlands Straßen waren mir durch zahlreiche Aufenthalte in diesem Land bekannt, deshalb wunderte ich mich auch nicht über die Enge und die oft miserablen Zustände.
Der Weg führte in die Uplands.
Ich sah viel Wald, große Weideflächen und auch hohe Steinfelsen, auf denen kärgliches Gras wuchs. Hin und wieder schimmerte die Oberfläche eines Sees, und wenn ich mir die Landschaft so betrachtete, wurde ich unwillkürlich an Bruder Ignatius erinnert, der meine Silberkugeln herstellte und in einem einsamen Kloster hoch oben in den Bergen lebte. Allerdings weiter nördlich, wo die Winde noch schärfer und rauer waren.
Der Abt des Klosters war vor gar nicht allzu langer Zeit ermordet worden, als die vier Horror-Reiter den Hort des Friedens überfielen. [1]
Und fast hätte ich auch daran glauben müssen, doch mir war es im letzten Moment gelungen zu entkommen.
Noch acht Meilen waren es bis zu meinem Ziel. Ich konnte Schottland nicht als Heimat ansehen, denn als ich geboren wurde, lebten meine Eltern schon in London. Irgendwie freute ich mich darauf, sie wiederzusehen, viel zu lange hatten wir uns nicht gesehen, was bei mir jedenfalls auch einen Grund hatte. Ich lebte ziemlich gefährlich, und ich wollte die beiden nicht in die Fälle mit hineinziehen, denn Dr. Tod oder Asmodina hätten sich zu leicht an ihnen vergreifen können, was ich unter allen Umständen vermeiden wollte.
Je tiefer ich in die Berge hineinfuhr, um so mehr klarte es auf. Es war zwar noch dunstig, aber dahinter schimmerte schwach der runde Sonnenball.
Ich dachte an den Brief und die beiden Toten. Wer konnte so eine Tat begangen haben? Menschen? Dämonen? Eigentlich kamen beide in Frage. Ich hatte im Laufe meiner Arbeit Menschen kennengelernt, die oft ebenso schlimm waren wie Dämonen. Auch sie kannten nur den Haß, die Vernichtung oder das Chaos.
Ich fuhr ziemlich langsam, denn größere Geschwindigkeiten ließ die Straße nicht zu. Sie schlängelte sich wie ein Wurm um die hohen Hügel herum. Einmal fiel das Gelände rechts von mir ab, dann, nach einer Kehre, wieder auf der linken Seite.
Da sah ich das Mädchen!
Es stand links von mir, auf einem Hügel. Der Wind spielte mit dem rotbraunen Haar, glitt darunter und hob die lockigen Strähnen an. Als das Mädchen meinen Wagen sah, machte es kehrt und ging davon.
Ich dachte mir nichts dabei und fuhr weiter. Den Hügel umrundete ich, mir kam ein Lieferwagen entgegen, und es wurde knapp. Bis hart an den Rand mußte ich, um vorbei zu können, denn der Lieferwagen hatte schon angehalten. Der Fahrer schaute aus dem Fenster mit stoischen Blick und verfolgte, wie ich den Bentley an seinem Fahrzeug vorbeimanövrierte.
Ich schaffte es und hatte danach Schweißperlen auf der Stirn.
Weiter.
Jetzt konnte ich ins Tal schauen. Da lag Lauder. Ein kleiner Ort, malerisch aus meiner Perspektive anzuschauen. Das Haus meiner Eltern befand sich nicht direkt im Ort, sondern stand am Hang. Aber erkennen konnte ich es nicht, zudem mußte ich mich zu sehr auf die Straße konzentrieren.
Was links und rechts von mir geschah, bekam ich nicht mit. Das war ein Fehler.
Urplötzlich hörte ich einen Knall, trat instinktiv auf die Bremse, und im nächsten Augenblick traf mich ein ungemein harter Schlag gegen die Schläfe.
Ich kann viel einstecken, das war zuviel. Die Wogen der Bewußtlosigkeit rollen an, und ich merkte, daß auch der Wagen weiterrutschte.
Nach rechts.
Auf den Abhang zu.
Ich wollte mich hochstemmen, aber ich fand einfach nicht die Kraft.
Riesengroß wurde die Gefahr eines Absturzes, und direkt vor dem Abhang, zwischen
Weitere Kostenlose Bücher