0178 - Wir spielten mit dem Feuer
die offene Hand zwei-, dreimal ins Gesicht. Ein Faustschlag trieb ihn zurück gegen den Wagen. Als ich noch einmal ausholte, war es soweit.
»Nein!«, wimmerte er. »Ich sag’s ja!«
»Los!«, fuhr ich ihn an, ohne die Hand sinken zu lassen. »Wo trefft ihr euch?«
»Bei mir!«, stieß er hastig hervor.
»Im Hinterzimmer?«
»In der Küche!«
»Wie kommen die anderen rein?«
»Sie müssen warten, bis ich da bin. Dann mache ich ihnen die Hoftür auf.«
»Habt ihr ein Zeichen dafür, wenn die Luft rein ist?«
Er zögerte nur eine halbe Sekunde. Aber eben eine halbe Sekunde, genug, um mich aufmerksam zu machen, dass er lügen würde.
»Nein.«
Ich holte aus. Er duckte den Kopf weg und rief: »Ja! Ich lass einen Schlager auf der Musikbox laufen, wenn die Luft rein ist!«
»Einen bestimmten Schlager?«
Ich nahm ihm vorsichtshalber an der Krawatte, um ihm die Luft an weiteren Lügen zu nehmen. Er strampelte heftig und zählte drei Songs auf, die er hintereinander spielen ließ, um den Komplizen, wenn sie zurückkamen, klarzumachen, dass die Luft rein sei.
»Komm«, sagte ich. »Den Rest machen wir unterwegs. Und wenn es dir einfallen sollte, mich noch einmal anzugreifen, dann prügele ich dich so windelweich, dass du drei Monate aus dem Krankenhausbett nicht herauskommst.«
Ich klopfte ihn schnell ab, fand ein Schnappmesser in seiner Hosentasche, aber eigenartigerweise keine Schusswaffe bei ihm. Mit einer Handbewegung machte ich ihm klar, dass er wieder ins Auto zu steigen hätte. Er gehorchte.
Ich setzte mich ans Steuer, zögerte eine Sekunde und band ihm dann doch die Hände mit meiner neuen Krawatte zusammen.
Als ich meinen Fuß auf die Kupplung setzte, stieß ich gegen etwas Hartes. Ich beugte mich vor und holte es herauf. Es war eine Maschinenpistole mit kurzem Lauf.
»Sieh mal an«, sagte ich. »Also der liebe Jackie hat sogar eine Tommy Gun. Bin bloß neugierig, was der Richter diesmal sagen wird. Es dürfte eine lange Rechnung werden.«
Ich startete den Wagen, wendete ihn und fuhr mit einer Geschwindigkeit, die man noch eben verantworten konnte, wenn man keine Polizeisirene besaß, die Third Avenue zurück.
Die Third Avenue kreuzt die 69. Straße Ost, und in dieser Straße liegt das Distriktgebäude des New Yorker FBI. Während meiner Fahrt mit Jackie waren wir über diese Kreuzung hinausgeraten, sodass ich jetzt erst auf diese Kreuzung kam, bevor ich die Stelle erreichen konnte, wo sich der ganze Feuerzauber abgespielt hatte.
Am Ort der Schießerei würden inzwischen schon Cops eingetroffen sein. Mindestens einer von ihnen würde meinen Jaguar kennen und sich einen ungefähren Vers machen können. Also bestand für mich keine zwingende Notwendigkeit, sofort und zuerst an den Tatort zurückzukehren.
Ich dachte an das, was ich dem Chef versprochen hatte. Ein Blick auf die Uhr zeigte mir, dass es inzwischen zwei geworden war. Folglich war ich schon wieder seit einer halben Stunde überfällig.
Seufzend steuerte ich den Wagen in den Hof des Distriktgebäudes.
»Komm raus, Jackie!«, sagte ich.
Er gehorchte. Wie immer, wenn bei einem Gangster der Widerstand richtig gebrochen ist, war er von jetzt an lammfromm.
Zwei Minuten später stand ich im Dienstzimmer von Mr. High. Es wunderte mich nicht, dass ich ihn nachts um zwei noch im Distriktgebäude fand. Erstens war es nicht das erste Mal, zweitens hatte unser Verschwinden im elften Revier, nach der Entdeckung der Ermordung Paddingtons, und unser stundenlanges Ausbleiben deutlich genug verraten, dass sich irgendetwas tat.
»Gut, dass Sie kommen, Jerry«, sagte der Chef, ohne Jackie eines Blickes zu würdigen. »Sie kennen Doc Walters vom Hauptquartier der Stadtpolizei?«
»Ich kenne ihn nicht persönlich. Ich weiß nur, dass er vielleicht dieser Arzt ist, der den Süchtigen vom elften Revier zum Hauptquartier bringen wollte.«
»Er war es nicht nur vielleicht, er war es bestimmt. Seine Leiche wurde vor einer Stunde auf einem East River Pier gefunden. Neben seinem Dienstwagen. Der Süchtige ist verschwunden…«
***
Ein paar Sekunden herrschte Schweigen. Nur Jackies Atem war zu hören. Er stand mit seinen gefesselten Händen mitten im Zimmer und wusste nicht, was er mit sich anfangen sollte. Vielleicht fühlte er das Bedürfnis, sich hinzusetzen, aber er wagte es nicht, da er nicht dazu aufgefordert wurde.
»Chef«, sagte ich nach einem kurzen Nachdenken. »Wenn wir uns beeilen, und wenn wir noch ein bisschen Glück dabei haben, können wir
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