0179 - Der unheimliche Ritter
werden.
Rechts und links an den Pfeilern sah Nicole die mit magischer Kreide geschriebenen Zeichen, die das Schloß, das zur Hälfte Burg war, an dieser Stelle absicherte.
Sie löschte die Zeichen aus.
Im gleichen Moment brach der undurchdringliche Abwehrschirm an dieser Stelle zusammen. Nur hier konnte jemand, der sonst unweigerlich gescheitert wäre, jetzt eindringen.
»Du kannst kommen, Charles«, rief sie dem Untoten zu.
Der Ausgemergelte hetzte über die Zugbrücke, als sei des Teufels Großmutter hinter ihm her.
»Komm«, forderte Nicole ihn dann auf und ging vor ihm her zum großen Haupteingang des langgestreckten Gebäudes. Charles folgte ihr.
Das erste, was sie tun mußte, war, die Abwehrzeichen wieder zu erneuern, um den magischen Schutz um Château Montagne wieder herzustellen. Dazu brauchte sie die Kreide, die in Zamorras Schreibtisch lag.
Aber auch um Jaques hatte sie sich zu kümmern. Der konnte ein Bad und frische Kleidung vertragen, und dann hatte er ihr einiges über den Schwarzen Ritter und sein Versteck im Innern des Berges zu verraten!
Erleichtert atmete Nicole auf, als sie Raffael die breite Treppe am Ende der Eingangshalle heruntereilen sah.
***
Jaques und Henner Pol starrten die kleine Gestalt überrascht an, deren Augen wie üblich grelles Leuchten verstrahlten. Wie immer war auch das Visier hochgeklappt, und der Bogen hing der Ritterfigur über der Schulter. Unglaublich beweglich war das Wesen, das normalerweise als Statuette auf dem Kaminsims stand, ohne einen Sockel zu benötigen.
Henner Pol runzelte die Stirn. »Was willst du?« fragte er angriffslustig. Die Vorfälle der letzten Stunden waren nicht geeignet gewesen, sein seelisches Gleichgewicht zu erhalten.
Die Miniatur-Ausgabe des Schwarzen Ritters stand breitbeinig im Zimmer und zwang die beiden Menschen, zu ihm herabzusehen. Dabei kamen beide sich keineswegs groß und erhaben vor, sondern klein und nichtig gegenüber der Macht des Schwarzen Ritters.
»Thorn will euch beide sprechen, Pol und Lafayette«, schnarrte die kleine Figur mit seiner unangenehmen Stimme, die nur dann erklang, wenn es hart auf hart ging. Normalerweise erfolgte die Verständigung mit dem Symbionten telepathisch, wobei es keine Rolle spielte, daß weder Pol noch sein Diener telepathisch veranlagt waren.
»Warum?« fragte Henner Pol.
»Das wird Thorn euch selbst sagen!« schnarrte der Kleine. »Seid ihr bereit, ihn aufzusuchen?«
Pols Kopf flog herum. Überrascht sah er Jaques an, dessen Augen sich staunend weiteten.
»Wir sollen zu ihm? In den Berg?«
Wo das Schloß des Schwarzen Ritters sich befand, wußten beide, aber noch nie hatten sie die gigantischen Anlagen im Berg betreten dürfen. Stets hatte der Symbiont es ihnen verweigert.
»Wir sind bereit«, sagte Henner Pol und hoffte, daß niemand auf die Idee kam, jetzt seine Gedanken zu lesen. Ihm gefiel es plötzlich nicht mehr, nach der Pfeife eines Dämons tanzen zu müssen, und sein flexibler Geist suchte nach einer Möglichkeit, für eine Änderung des Status quo zu sorgen.
Das brauchte der Symbiont aber ebensowenig zu erfahren wie der Schwarze Ritter persönlich.
Henner Pol wußte, daß er mit diesem Gedanken ein Spiel begonnen hatte, das ihn nicht nur um Kopf und Kragen, sondern auch endgültig um sein Seelenheil bringen konnte - oder alles retten, wenn es gelang. Er mußte von jetzt an nur darauf achten, an andere Dinge zu denken als an das, was er wirklich beabsichtigte.
Jaques Lafayette nickte jetzt zum Zeichen, daß auch er bereit war, dem Schwarzen Ritter in dessen Burg im Fels einen Besuch abzustatten.
Die kleine Figur hob beide Arme.
Im gleichen Moment erschienen zwei ausgemergelte Gestalten aus dem Nichts wie Gespenster um Mitternacht.
Beide griffen mit ihren dürren, knochigen Händen nach den beiden Menschen.
Sie werden euch zum Schwarzen Ritter bringen! telepathierte der Symbiont. Macht einen Schritt vorwärts, um den zeitlosen Weg zu beschreiten!
Sie gehorchten der telepathischen Anweisung der kleinen Ritterfigur.
Gleichzeitig mit den beiden Ausgemergelten machten sie einen Schritt nach vorn.
Und verschwanden aus dem Château.
***
Professor Zamorra schlich um Henner Pols Schloß wie ein Einbrecher, ohne sich aber wie ein solcher zu fühlen. Im Osten schimmerte der Mond zwischen den Wolkenbänken und versorgte den Meister des Übersinnlichen, wie er von Freunden und Feinden genannt wurde, mit genau dem Licht, das er benötigte, um Einzelheiten zu erkennen.
Der
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