0179 - Wir blufften um sein Leben
Mister Cotton. Bitte, fragen Sie nur!« nickte Mrs. Rosega. Ihre Tochter, deren Ähnlichkeit unverkennbar war, hatte sich mit aufgeregtem Gesicht auf einen Sessel gehockt. Die alte Negerin, der man den ganzen Kummer der letzten Monate ansah, saß mit im Schoß gefalteten Händen in einem anderen, während Mrs. Rosega auf der Couch Platz genommen hatte.
»Wer war Mister Steewy, der umgebracht wurde?«
»Einer von vier Brüdern, die das Nachbarhaus besitzen. Er war der Älteste, sein Vorname ist John, aber er wird allgemein nur Nick genannt.«
»Was war er für ein Charakter?«
»Nicht der beste. Ziemlich oft betrunken.«
»Was hatte er für einen Beruf?«
»Er führt eines der vier Lokale, die seine Eltern ihren Söhnen hinterlassen haben.«
»Demnach sind die anderen Steewys ebenfalls Gastwirte?«
»Ja.«
»War Mister Connelli schon früher einmal hier in Sun City?«
»Nein. Noch nie. Er wäre wohl auch diesmal nicht gekommen, wenn ich ihm nicht ein Telegramm geschickt hätte. Seine Mutter hatte Geburtstag, und ich dachte, ich könnte ihr keine größere Freude machen, als ihren Sohn einzuladen. Hätte ich es doch bloß nie getan! Wäre Ray in New York geblieben, wäre das alles nicht passiert!«
Sie senkte den Kopf. Offenbar kostete es sie einige Mühe, nicht in Tränen auszubrechen. Die Negerin erhob sich ein wenig schwerfällig und ging zu ihr. Mit leisen Worten redete sie beruhigend auf die Frau ein, indem sie ihr scheu übers Haar strich.
Ich wartete, bevor ich meine Fragen fortsetzte. Als sich die beiden Frauen halbwegs wieder gefaßt hatten, bat ich:
»Erzählen Sie mir doch bitte, wo Mister Connelli war, als der Mord geschah.«
Ich bekam noch einmal die Geschichte von dem Tanzabend zu hören. Die hatte mir schon der Pater erzählt. Anschließend hätte Mrs. Rosega hier im Wohnzimimer die Couch fertig gemacht. Das Haus besitze zwar ein Fremdenzimmer, aber gerade damals wären die Handwerker darin gewesen, weil mit der Wasserleitung etwas nicht in Ordnung gewesen sei. Sie hätten die Arbeit nicht an einem Tage bewältigen können und ihr Werkzeug oben herumliegen lassen, so daß Ray Connelli die erste Nacht auf der Couch im Wohnzimmer hätte schlafen müssen.
»Die erste Nacht?« fragte ich verdattert. »Hatte Mister Connelli denn vor, auch noch eine zweite Nacht hierzubleiben?«
»Er sollte eine ganze Woche bleiben!« sagte Mrs. Rosega, »Mein Mann war zwar dagegen, aber ich hätte es durchgesetzt.«
»Warum war ihr Mann dagegen?« fragte ich.
Sie senkte den Kopf und zögerte. Bevor sie sich zu einer Antwort entschließen konnte, war die Tochter eingefallen:
»Weil er engstirnige Vorurteile hat! Er will kieine Neger in seinem Hause haben!«
»Aber«, stotterte ich verlegen mit einem Blick auf die alte Negerin.
»Sie meinen Mammy?« Das Mädchen lachte bitter. »Natürlich, als Schuhputzer und Dienstboten dürfen Neger dieses heilige Haus hier betreten! Aber doch nicht als gleichgestellte Gäste!«
»Jeane!« sagte ihre Mutter.
Das Mädchen zuckte die Achseln.
»Ist es denn nicht wahr? Hat er nicht auch dagegen protestiert, daß an unserer Schule ein paar Junigen und Mädchen zugelassen sind, die eine andere Hautfarbe haben als wir?«
Die Tränen stürzten ihr aus den Augen. Mit einem Satz war sie aus ihrem Sessel und zur Tür hinaus.
Der Mutter war es begreiflicherweise peinlich. Ich versuchte, das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken.
»Wie ich hörte, wurde Ray Connelli nachts in einem Lokal verhaftet. Er soll sein Gepäck bei sich gehabt und die Absicht geäußert haben, mit dem nächsten Flugzeug zurück nach New York zu fliegen. Wie stimmt das damit überein, daß er eine ganze Woche bleiben sollte?«
Mrs. Rosega seufzte tief:
»Das ist ja der wunde Punkt an der ganzen Geschichte! Ray wurde auch während der Verhandlung ein paarmal danach gefragt. Immer wieder sagte er, darüber könne er sich nicht äußern! Das war einer der Punkte, die ihn am schwersten belasteten. Der Staatsanwalt sagte, er hätte eben fliehen wollen. Aber das ist natürlich Unsinn! Wie kann jemand fliehen wollen, der nichts getan hat?«
Ich sagte nichts dazu. Es war nur natürlich, daß Connellis Mutter und seine Freunde von seiner Unschuld überzeugt waren. Ich war es durchaus noch nicht. Aber ich nahm mir vor, diesen Punkt noch genauer zu untersuchen. Ich stellte noch eine Reihe von Fragen, die für mich zwar das Bild abrundeten, die aber nicht die Idee eines Unschuldbeweises enthielten.
Gerade
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