0179 - Wir blufften um sein Leben
hatte ich mich verabschiedet, als es an der Haustür klingelte. Mrs. Rosega befand sich mit mir noch etwa vier Schritte vom Ausgang entfernt. Sie trat zur Tür und zog sie auf.
Über ihre Schulter hinweg konnte ich das Gesicht eines Chinesen erkennen. Er trug europäische Kleidung, aber er hatte ein Seidengewand über seinen linken Arm gehängt. Einen Herzschlag lang musterten sich Mrs. Rosega und der Chinese. Diese kurze Zeitspanne hatte für mich genügt, ebenfalls die Tür au erreichen.
Als ich genau neben Mrs. Rosega stand, riß der Chinese etwas unter dem Seidengewand hervor. Er sprang rückwärts die wenigen Stufen hinunter und riß seinen rechten Arm dabei empor. Mattschimmernd glänzte der Lauf eines schweren Colts in seiner Hand.
Ich bandelte so instinktiv, daß mir meine Reaktion selbst erst bewußt wurde, als es bereits geschehen war. Der Knall meiner beiden Schüsse ballte noch in meinem Ohr, als der Chinese zusammenbrach. Ich hörte einen spitzen Schrei von Mrs. Rosega, während ich schon die Stufen hinabsprang und mich über den Chinesen beugte.
Sein Finger hatte sich so fest um den Stecher des Colts gekrampft, daß die Waffe noch jetzt jeden Augenblick losgehen konnte. Vorsichtig zog ich ihm den Finger zurück.
Ein Blick in seine Augen machte alles klar. Er war tot. Meine beiden Kugeln hatten ihr Ziel, die Hand, verfehlt und waren in die Brust gedrungen.
***
Zum Glück war schnell genug ein Cop zur Stelle, der mir die Arbeit abnahm, die Neugierigen zurückzudrängen, die sich innerhalb der ersten zwei Minuten schon in hellen Scharen eingefiunden hatten.
»Ich rufe die Mordkommision am«, sagte ich, nachdem ich ihm leise und hastig ein paar knappe Erklärungen zugeraunt hatte.
Er rief mir etwas nach, als ich ins Haus eilte, aber ich verstand es nicht mehr. Im Wohnzimmer hatte ich das Telefon stehen sehen. Mrs. Rosega lag auf der Couch und wurde von der Negerin betreut. Der Schreck schien sie ohnmächtig gemacht zu haben. Die Tochter war heruntergekommen und überfiel mich mit einem Schwall von Fragen.
»Keine Zeit!« rief ich und blätterte eilig im Telefonbuch. Da ich keinen eigenen Anschluß der Mordkommission finden konnte, wählte ich die Nummer des Polizeipräsidiums. »Geben Sie mir bitte Detektiv-Lieutenant Sandlheim«, sagte ich.
»Sofort. Wer spricht, bitte?«
»Sagen Sie dem Lieutenant, es wäre der Mann, mit dem er heute frülh bei den Straßenreinigern war.«
»Bei den Stra —«
»Ja, nun machen Sie schon! Es ist eilig!«
»Jawohl, Sir!«
Ich trommelte nervös mit den Fingern, bis ich endlich die ruhige Stimme des Detektivs hörte:
»Hier ist Sandheim. Was wollen Sie denn schon wieder?«
»Lieutenant, ich befinde mich in der Paradise Street. Ich habe gerade einen Chinesen erschossen.«
»Ja, und ich habe einen Marsmenschen zum Abendbrot aingeliaden. Nun werden Sie mal vernünftig, sonst lege ich auf. Ich habe keine Zeit. Sie haben mich schon den ganzen Vormittag gekostet«
»Sandheim, schicken Sie die Mordkommission, oder wer ist sonst bei euch für so etwas zuständig?«
Einen Augenblick herrschte Schweigen. Dann knurrte Sandheim, und der Ärger in seiner Stimme war gar nicht ziu überhören:
»Ich komme selber!«
Krach. Er mußte den Hörer auf die Gabel geworfen halben. Ich ließ meinen auf den Apparat zurücksinken und eilte wieder hinaus. Als mich der Cop kommen sah, seufzte er:
»Gott sei Dank, ich dachte schon, Sie hätten sich aus dem Staube gemacht!«
»Wie Sie sehen, habe ich die Absicht, hierzubleiben«, beruhigte ich ihn. »Sind Sie der für diese Ecke zuständige Streifenbeamte?«
»Ja. Warum?«
Ich trat näher an ihn heran und sprach so leise, daß es niemand von den Gaffern hören konnte.
»Kennen Sie Mister Rosega?«
»Vom Sehen, ja.«
»Was hat er für einen Beruf? Ich meine, wovon lebt er?«
Der Cop sah mich an, als hätte ich ihn gefragt, ob wir beide wirklich vorhanden wären. Er nahm sich die Mütze vom Kopf und tupfte sich mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn. Es war wirklich eine mörderische Hitze.
»Er hat eben Geld«, sagte er leise. »Wahrscheinlich macht er irgendwelche Geschäfte, woher soll ich das wissen? Früher soll er mal ein paar Plantagen gelhabt haben. Aber die hat er schon seit mindestens drei Jahren nicht mehr. Das ist nämlich die Zeit, seit der ich in diesem Revier bin.«
»Wissen Sie etwas über die Steewys nebenan? Ich meine etwas Interessantes?«
Er sah mich abermals mißtrauisch an. »Sie sind
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