018 - Der Mönch mit den Teufelskrallen
der schwere Metallkörper vor ihm auf den rohen
Boden. Der linke Arm der Statue brach ab, und der Steinboden erhielt eine lange
Scharte. Die Bronzefigur war genau an der Stelle niedergegangen, an der Larry
Brent noch vor wenigen Sekunden gestanden hatte. Nur um Haaresbreite verfehlte
sie ihn.
Entsetzensschreie
ertönten, Gestalten huschten die Treppe herab. Larry kam auf die Beine, ehe man
ihn umringte.
»Mein Gott,
Señor Brent.« Der Abt kam auf ihn zu.
X-RAY-3
erwiderte die Blicke derjenigen, die ihn umstanden und ihn begutachteten, wie
einen, der von den Toten auferstanden war: der entsetzte Abt, Señora Couchez –
bleich und verhärmt, Señor Fardez – mit dunklen, unergründlichen Augen, in
denen Larry so etwas wie Enttäuschung zu lesen glaubte und Dr. Forster, der als
einziger in diesen Sekunden begriff, was in dem PSA-Agenten wirklich vorging.
Zwanzig
Minuten später schien Larry den unerklärlichen Vorfall schon wieder vergessen
zu haben. Die Kommission besichtigte einen Trakt, in dem Kunstgegenstände und
Gemälde gezeigt wurden. Unter anderem auch kunstgewerbliche Gegenstände und
Bilder, die von den Heiminsassen während der langen Winterabende angefertigt
worden waren.
Larry
interessierte sich in dieser Zeit für den bürokratischen Aufbau in Señora
Couchez Aufnahmebüro und warf einen Blick in die Einlieferungs- und
Abgangslisten.
Dr. Forster,
der Leiter der Besucherkommission, leistete ihm dabei Gesellschaft.
Als die
Heimleiterin einmal für einen Augenblick nach draußen ging, sprach Dr. Forster
den PSA-Agenten an. »Der Vorfall vorhin, Mister Brent – das war kein Unfall,
nicht wahr? Das war ein Mordanschlag.«
»Sie haben
sehr gut beobachtet, Dr. Forster«, erwiderte Larry, ohne seinen Blick von der
mit Namen übersäten Liste zu nehmen.
»Und das lässt
Sie so kalt?«
»Ich bin noch
am Leben, Doktor. Wenn Ihnen so etwas passiert wäre, würden Sie sich nicht auch
darüber freuen, dass Sie mit heiler Haut davongekommen sind? Na also. Mein
geheimnisvoller Gegner hatte Pech. Er wollte offenbar verhindern, dass ich
etwas weitergeben kann, das ich kurz vorher – wie er richtig vermutet –
erfahren hatte. Ich nehme an, dass er es noch einmal versuchen wird. Nicht
hier, das wird ihm zu riskant sein. Vielleicht heute Abend beim Fest im Hause
von Señor Fardez.«
Dr. Forster
biss sich auf die Lippen. »Ich werde nicht von Ihrer Seite weichen.«
»Das würde ich
Ihnen nicht empfehlen, Doktor. Sie setzen vielleicht Ihr Leben aufs Spiel. Es
ist nicht immer gut, auf Tuchfühlung mit einem Mann von der PSA zu sein. Aha,
hier ist es ja!« Larry nickte. Sein Finger wies auf einen Namen, den er in der
Liste entdeckt hatte. »Carmen Mavila, Vollwaise. Beide Eltern kamen bei einem
Flugzeugabsturz ums Leben, als sie zwölf Jahre alt war. – Carmen Mavila –
entlassen heute Morgen um zehn Uhr – genau das habe ich erwartet.«
●
Noch bevor die
Dunkelheit anbrach, erreichte das Fest von Señor Fardez einen ersten Höhepunkt.
Das Gesangsduo war so hervorragend, dass die ausgelassene Gesellschaft schnell
in Stimmung kam, noch ehe alle angemeldeten Gäste eingetroffen waren.
Champagner
floss in Strömen, und dies im wahrsten Sinne des Wortes.
Im Garten gab
es einen kleinen Springbrunnen, der von einer Wasseranlage aus gesteuert wurde.
Doch heute Abend floss durch die Röhrensysteme kein Wasser, sondern –
Champagner. Aus dem Springbrunnen floss das edle Getränk wie Wasser, und das
Becken füllte sich mit der goldgelben Flüssigkeit.
Überall wurde
etwas geboten. Im Garten, auf dem Tanzparkett, und in den hellerleuchteten
Salons verteilten sich die Gäste. Señor Fardez war ein aufmerksamer Gastgeber.
Larry lernte einen Kommunalpolitiker mit radikalen Ansichten kennen, einen
Maler, der ähnlich wie Salvador Dali surrealistisch zeichnete und seinem
Gastgeber ein beeindruckendes Bild als Geschenk mitbrachte. Larry Brent behielt
im Auge, mit wem Señor Fardez zusammentraf, wen er begrüßte. Inzwischen war
bekanntgeworden, dass der Abt des Klosters an dem Fest nicht teilnehmen würde.
Er hatte kurzfristig abgesagt und es wurde getuschelt, dass er schon seit
geraumer Zeit krank sei und sich zu viel zumute.
Bruder Antonio
jedoch wollte kommen.
Musik erklang,
Stimmengemurmel erfüllte die Luft, über den Teichen summten die Schnaken. Die
milde Abendluft stimmte fröhlich, und der genossene Sekt trug nur noch mit zu
dieser harmonischen Stimmung bei.
Doch Larry
ließ sich nicht irritieren.
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