018 - Der Mönch mit den Teufelskrallen
auf der Nase herum. Und
bei fast hundert Zöglingen in diesem Heim ...« Sie sprach nicht zu Ende.
Mitfühlend
nickte Larry. »Wem sagen Sie das«, meinte er gespielt galant. »Das ist doch
überall das gleiche. Auch bei uns in den Staaten. Ich könnte Ihnen Beispiele
aus Heimen bringen, in denen ich schon zu tun hatte ...«
Señor Fardez
tauchte auf und gesellte sich zu ihnen. Während sich Larry mit dem reichen
Spanier und der Heimleiterin unterhielt, warf er einen Blick auf den Boden und
die Wand der Zelle. Er entdeckte auf dem Boden vor der Tür ein paar frische
Kratzer in dem rauen, grauen Untergrund. Ein scharfer Gegenstand schien ihn
verursacht zu haben. Er musste an die Szene denken, die ihm das Mädchen
beschrieben hatte.
Er stellte
fest, dass sich der Großteil der Pädagogen mehr für das mittelalterliche
Gebäude und die uralten Gewölbe interessierte als für die Psyche der Mädchen,
die hier unten ihre Arbeit verrichteten oder wegen eines Vergehens in die
alten, reformbedürftigen Dunkelzellen gesperrt wurden. Die Amerikaner, die in
ihrem eigenen Lande so alte Bauwerke nicht kannten, nutzten die Gelegenheit,
die mittelalterliche Umgebung weidlich zu studieren. Señora Couchez und Señor
Fardez mussten fleißig Rede und Antwort stehen. Dabei entfernten sie sich immer
weiter von dem Trakt, in dem die Zellen und Archivkammern untergebracht waren.
Larry hatte
eine Idee. Er hätte noch einige Augenblicke länger mit Marina sprechen müssen.
Es gab da einige Fragen, die ihm auf dem Herzen lagen und er erhielt seine
Chance. Er nutzte den Augenblick, der ihm am geeignetsten dafür erschien.
»O Señora,
entschuldigen Sie, wenn ich mir erlaube, Sie kurz zu unterbrechen. Ich habe in
der Zelle des Mädchens meine Zigaretten zurückgelassen. Wenn ich um die
Schlüssel bitten dürfte ...«
»Ich werde
mich selbstverständlich persönlich darum kümmern, Señor Brent«, entgegnete sie
und schickte sich an, davonzugehen.
»Aber Señora,
ich bitte Sie ... Diese Umstände! Wir Amerikaner sind zwar ein merkwürdiges
Volk. Aber wir sind dennoch Kavaliere. Ich werde mich selbstverständlich selbst
darum kümmern. Und ich verspreche Ihnen, die Zellentür wieder fest zu
verschließen!« Er schenkte ihr sein sympathisches, jungenhaftes Lächeln und
erhielt den Schlüsselbund.
X-RAY-3 eilte
den düsteren Gang zurück, erreichte die Zellentür und schloss sie auf. Vor dem
Eingang brannten noch immer Fackeln.
Marina sprang
überrascht von ihrer harten Liege auf, als Larry Brent auftauchte.
Larry legte
den Zeigefinger auf seine Lippen. »Ich habe gesagt, dass ich die
Zigarettenschachtel hier liegengelassen habe. Das war ein Grund, um noch einmal
rasch zu Ihnen zu kommen.« Er schoss seine Fragen ab und fand nur das
bestätigt, was er von Anfang an gefühlt hatte: Dieses Mädchen hatte sich die
Geschichte nicht aus den Fingern gesogen. Alles hatte Hand und Fuß, es gab
keinen Widerspruch, der ihm, dem erfahrenen PSA-Agenten, sofort aufgefallen
wäre.
»Das Unheimlichste
habe ich noch nicht erwähnt. Sie werden alles, was ich bisher gesagt habe,
sofort mit anderen Augen sehen – und mir nicht glauben«, fuhr Marina fort.
»Dazu habe ich
nicht den geringsten Anlass.«
»Der Mönch,
der Carmen getötet hat, war ein Ungeheuer. Ich kann nicht fassen, dass ein
menschliches Wesen – eine solche Hand haben kann. Es war eine Teufelskralle.«
Sie beschrieb die unheimliche Hand in allen Details, und Larry fühlte beinahe
körperlich, wie sie dabei erschauerte, wie Angst und Entsetzen sie wieder
packten, wenn sie sich die Dinge vor Augen hielt.
»Ich habe
keinen Grund, an Ihren Worten zu zweifeln«, sagte er, bevor er die Zelle
verließ, um die Suche nach der angeblich zurückgelassenen Zigarettenschachtel
nicht zu lange auszudehnen.
Larry kehrte
durch die düsteren Gewölbegänge zu der Gruppe zurück, die sich inzwischen im
Nordtrakt aufhielt. Dort führte eine breite Treppe in die Höhe. Larry ging
unten an der Brüstung vorbei. Er sah die schattengleichen Umrisse der Menschen,
die sich oben auf dem balkonähnlichen Anbau unter der Gewölbedecke aufhielten.
Die Brüstung des Anbaus war mit bronzenen Heiligenstatuen geschmückt, die zu
früheren Zeiten offensichtlich einmal in einem anderen Teil des Heimes ihren
festen Standort gehabt hatten.
Larry warf
gerade wieder einen Blick nach oben. Eine Statue wankte, er sah den riesigen
Schatten auf sich zukommen und warf sich zur Seite.
Mit einem
ohrenbetäubenden Krach schlug
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