018 - Der Mönch mit den Teufelskrallen
manche Stunde, wie
du meinst. Morgen früh, wenn erneut der Weg zur Waschküche angetreten wird – bin
ich verschwunden. »
Marina glaubte
sich verhört zu haben. »Du willst abhauen?«
»Ja.«
»Unmöglich.
Hier kommst du nicht raus. Das haben schon andere vor dir versucht. Mir selbst
sind fünf Fälle bekannt. Eine haben sie wieder erwischt. Der erging es dreckig.«
»Und die
anderen vier?«, wollte Fernanda wissen.
»Was aus denen
geworden ist, weiß keiner. Glaubst du denn, dass noch niemand von den anderen
auf die Idee gekommen ist, abzuhauen?« Marina schwenkte die Wäsche, warf sie
auf die Seite und kippte den Bottich um, um ihn mit frischem Wasser zu füllen.
»Die meisten haben Angst, aber dies gestehen sie sich nicht ein. Etwas geht
hier nicht mit rechten Dingen zu, Fernanda.«
»Unsinn! Die
geflohen sind, werden ihre Flucht nicht gründlich genug durchdacht haben. Seit
der ersten Stunde meiner Einlieferung habe ich nur den einen Gedanken, wieder
hier herauszukommen.«
»Das hatten
wir alle. Die meisten haben diesen Gedanken aber ganz schnell wieder
aufgegeben. Hast du die steilen Bergwände gesehen? Drei Seiten sind praktisch
unbegehbar. Die Wände fallen steil ab, verbinden sich mit den schroffen
Felswänden. Die Erbauer dieses Klosters schienen von Anfang an daran gedacht zu
haben, hier einmal ein Gefängnis einzurichten. Die vierte Mauer grenzt an den
eigentlichen Klosterkomplex. Sie ist dick und hoch. Auf der anderen Seite leben
die Mönche.«
»Hat es noch
keine gegeben, die es über den Klostergarten versucht hat?«
Marina
richtete ihren Oberkörper auf und strich sich die langen feuchten Haarsträhnen
aus dem schmalen Gesicht. »Wie meinst du das?«
»Genau, wie
ich es sage. Ich habe doch vorhin schon erwähnt, dass ich von Anfang an einen
Plan hatte. Ich habe mir in nächtlichen Stunden jeden Winkel des Heims
angesehen und etwas entdeckt. Einen Fluchtweg, den irgendjemand schon vor mir
gegangen sein muss. Die erste Generalprobe habe ich hinter mir. Es kann nichts
schiefgehen. Heute Nacht habe ich Premiere. Machst du mit?«
Marina starrte
sie sekundenlang an. »Du bist verrückt!«
»Ich weiß
genau, was ich sage und was ich tue, ich weiß auch, dass ich mich dir
anvertrauen kann und weiß, dass du jemanden brauchst, der dir Auftrieb gibt.
Vielleicht bin ich die Richtige, wer weiß.«
»Du willst
über den Klosterbezirk in die Außenwelt? Das stellst du dir zu einfach vor.«
»Es ist
einfacher, als du denkst.«
»Wie aber
willst du dann weiterkommen?«
»Ich werde es
dir zeigen. Du wirst staunen. Und wenn ich erst einmal in Deleitosa bin, dann
ist alles andere nur noch eine Kleinigkeit.«
Sie lachte
leise und ihre Fröhlichkeit steckte an. »Ich habe zwar keinen Pfennig Geld,
aber ich brauche weder ein Taxi noch die Eisenbahn. Oder glaubst du, dass ich
hier in diesem Gefängnis meine Reize verloren habe?« Mit diesen Worten zog sie
den schlichten Rock hoch, so dass ihre wohlgeformten, gebräunten Beine sichtbar
wurden. »Wenn ich mich so an die nächste Straßenecke stelle, dann müsste es mit
dem Teufel zugehen, wenn der erstbeste Fahrer nicht anhalten würde, Marina. Ich
bin spätestens morgen in Madrid oder Barcelona, das garantiere ich dir.«
»Achtung, die
Ziege«, zischelte Marina plötzlich warnend.
Fernanda sah,
wie sich oben die Tür öffnete. Señora Couchez trat ein, ihr Stöckchen mit
beiden Händen umfassend. »Das sieht ja schon besser aus«, sagte sie. »Wenn man
einen Störenfried entfernt, dann geht die Arbeit gleich doppelt so schnell von
der Hand. Ich wusste doch, dass wir uns verstehen«, meinte sie und verschwand
wieder.
●
Larry Brent
befand sich noch keine Stunde in Madrid. Kurz vor seinem Abflug von Paris nach
New York hatte ihn ein Telegramm erreicht, dass er weitere Instruktionen an Ort
und Stelle erhalten würde.
Es war
lediglich die Adresse eines Musikgeschäftes angegeben, in das er gehen sollte.
So bog er in die Calle Espanoleto ein und warf einen Blick auf seine
Armbanduhr. Noch sieben Minuten bis Geschäftsschluss. Er kam gerade noch
rechtzeitig. Der Musikladen war neben einem Feinkostgeschäft.
Eine junge
Frau verließ in dem Augenblick den Laden, als X-RAY-3 hinein ging.
Unwillkürlich drehte er sich nach ihr um und blickte ihr nach. Sie war
höchstens zwanzig Jahre alt. Eine rassige Schönheit mit dichtem, langem,
schwarzem Haar.
»Sie
wünschen?«, fragte der Mann mittleren Alters hinter der Theke.
»Ich soll ein
Band für Señor
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